Im Rahmen der Proteste gegen fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen in München kam es gegen Ende des Fundiaufmarsches heute zu einer Ingewahrsamnahme eines anarchistischen Pro Choice Aktivisten. Es handelt sich dabei um den gleichen Aktivisten, der am gestrigen 24. Juni einen Prozess wegen seines Engagements gegen fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen gehabt hätte. Dieses Verfahren wurde vor der Verhandlung jedoch durch die Richterin eingestellt.
Wir dokumentieren im folgenden seinen Erlebnisbericht der heutigen Ingewahrsamnahme:
Wie beinahe jeden Monat begleitete ich auch am heutigen 25. Juni die Prozession fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen um Wolfgang Hering. Dass ich dabei wie üblich auch die kleinen Freiräume, die bei einem so spärlichen Gegenprotest (insgesamt protestierten heute 5 Personen sichtbar gegen die Fundis, stellenweise waren es gar nur zwei Personen) entstehen, nutzte, um mich den Anweisungen der begleitenden Cops zu widersetzen und in die Nähe der Fundis zu gelangen, fanden die Cops wie immer gar nicht lustig.
Nachdem ich die Demonstration der Fundis von pro familia zur Universität begleitet hatte, wollten die Cops mich und eine andere Person unbedingt von der Abschlusskundgebung der Fundis fernhalten. Dazu stellten sie sich – ungefähr zu sechst, vielleicht auch etwas mehr – in einem Halbkreis auf und schubsten uns Gegenprotestierende immer wieder zurück. Wie bei jeder Polizeikette, ergaben sich natürlich auch hier Lücken und so hatten wir relativ viel Spaß beim obligatorischen Katz und Maus Spiel mit den Cops, insbesondere da sich dabei die Laune der Cops beständig zu trüben schien.
Kurz vor Ende der Veranstaltung schien dann das Fass für die Cops überzulaufen. Weil ich irgendwelchen neuerlichen Anweisungen der Cops auch dann nicht nachkommen wollte, als sie diese mit Gewalt durchsetzen wollten, nahmen mich eine handvoll Cops kurzerhand in Gewahrsam und fesselten mir die Hände mit Handschellen auf dem Rücken. Zuvor hatten sie mich aufgefordert, mich zu entfernen, da die Veranstaltung der Fundis angeblich vorbei sei – die Fundis indessen standen unterdessen auch weiterhin mit ihrer Marienikone und ihren widerlichen Schildern gut sichtbar auf dem Platz vor der Uni und schienen nicht daran zu denken, zu gehen. Als ich die Cops fragte, warum sie mich denn nun in Gewahrsam nähmen, antworteten sie, ich sei einem Platzverweis nicht nachgekommen und meine Ingewahrsamnahme sei nötig, um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung der Fundis zu gewährleisten. Seltsam, wie lässt sich der Ablauf einer Veranstaltung gewährleisten, die bereits vorbei ist? Nun ja, immerhin sollte das nicht die endgültige Version der Cops bleiben.
Unterdessen wurde ich in ein bereitstehendes Fahrzeug der Cops bugsiert, darin von einem Cop (Cop 1) auf einen Sitz gedrückt und angeschnallt. Er und ein zweiter Cop (Cop 2) nahmen ebenfalls im Rückraum des Fahrzeuges Platz, um mich angemessen zu bewachen, ein dritter Cop (Cop 3) stieg vorne ein, ließ den Motor an und fuhr los. Kurz nachdem wir losgefahren waren, erregte ein im Rückraum des Fahrzeug befestigtes Telefon/Funkgerät mit Hörer meine Aufmerksamkeit. Da ich gerade ohnehin nichts besseres zu tun hatte, versuchte ich mit meinem Kopf (meine Hände waren ja immernoch auf dem Rücken gefesselt) den Hörer abzunehmen, um zu sehen, was mensch damit tun könne. Dazu schnallte ich mich auch ab. Das wiederum gefiel meinen Bewacher*innen gar nicht! Cop 1 saß mir gegenüber. Er schnallte sich ebenfalls ab und sprang mich an. Gemeinsam mit Cop 2 (neben mir) gelang es ihm, mich wieder anzuschnallen und fortan ohne jede Bewegungsfreiheit am Sitz zu fixieren. Dazu stellte er sich über mich und drückte mich gegen den Sitz. Dabei drückte er auch seinen Ellbogen in meine Kehle. Als ich ihn darauf ansprach, leugnete er das gar, ganz so als wüsste er nicht genauso wie ich, dass er das mit voller Absicht getan hatte. Trotzdem lockerte er daraufhin seinen Griff zu meiner Überraschung ein wenig.
Die restliche Fahrt zur Polizeiinspektion 14 in der Beethovenstraße verlief recht kurzweilig und – zumindest für mich – einigermaßen amüsant. Wohl um zu verhindern, dass ich mich noch einmal abschnallen könnte, wieß einer meiner Bewacher-Cops den Fahrer an, schneller zu fahren, woraufhin dieser mit Blaulicht und Sirene und ziemlich wüst in die folgenden Kreuzungen einfuhr. Ich war mittlerweile ja wieder angeschnallt worden, aber Cop 1, der die ganze restliche Fahrt über mir stand, wurde im Innenraum des Fahrzeuges dadurch hin und her geschleudert. Sehr zu meiner Belustigung.
Noch während der Fahrt forderten die Cops ein Empfangskomitee an, das uns dann auch bei Einfahrt in die Polizeiinspektion 14 erwartete. Kaum kam das Fahrzeug zum stehen, sprinteten mehrere Cops von außen auf das Fahrzeug zu, ganz so als müssten sie dieses stürmen. Meine beiden Bewacher*innen sprangen ebensoschnell aus dem Fahrzeug heraus und so standen die Cops dann gemeinsam an der Tür. Ich fragte sie, ob es ihnen etwas ausmache, wenn ich freiwillig aussteige, oder ob sie sich bereits darauf gefreut hätten, mich aus dem Wagen zu schleifen. Letztlich einigten wir uns auf eine Art Mittelweg. Obwohl meine Hände auch weiterhin auf dem Rücken gefesselt waren, geleiteten mich zwei Cops in die Inspektion, wobei sie ununterbrochen und mit festem Griff meine Oberarme umklammerten.
Sie führten mich in das Gebäude und geleiteten mich in einen Empfangsraum, wo sie mir meinen Rucksack abnahmen und mich durchsuchten – vor der Uni war dazu keine Zeit gewesen, immerhin wollte mensch mich schnell aus dem Blickfeld neugieriger Beobachter*innen befördern, die für meine Ingewahrsamnahme ebensowenig Verständnis aufzubringen schienen, wie ich selbst. Anschließend bugsierte mensch mich auf einen Stuhl.
Meine Anwesenheit musste sich auf der Polizeiinspektion schnell herumgesprochen haben, zumindest dauerte es keine Minute, bis ein alter Bekannter das Zimmer betrat: Der Cop Nützel. Nützel ist häufig Einsatzleiter bei den Fundi-Prozessionen und unter uns Gegendemonstrant*innen für seine rechten Äußerungen bekannt. An mir hatte Nützel ganz besonders einen Narren gefressen. Für ihn bin ich ein „stinkender“, „ungewaschener“, „arbeitsloser“, „vorlauter“ Linker (nicht dass ich mit all dem ein Problem hätte, für den Cop Nützel jedoch scheint das mit einer Abwertung verbunden zu sein), den es mit allen erdenklichen Mitteln zu bekämpfen gilt. Erst gestern, am 24.06.2019 hätte ich eigentlich einen Prozess gehabt, weil ich im Zusammenhang mit einer Versammlung der Fundis einmal eine rote Ampel überquert hatte. Die entsprechende Kreuzung war zwar für die Demonstration bereits durch die Cops gesperrt, aber für den Cop Nützel war das ein Anlass, einen lächerlichen Repressionsversuch zu wagen. Allerdings stellte die zuständige Richterin später das Verfahren gegen mich ein (die ganze Geschichte erfahrt ihr hier). Vermutlich zum Leid des Cops Nützel, denn früher hatte mir der einmal eine*n Richter*in gewünscht, die nicht so „links“ sei und endlich gegen mich durchgreifen würde. Als ich den Cop Nützel nun so vor mir stehen hatte – und ja nun auch nicht einfach weggehen konnte – beschloss ich, ihn dazu zu befragen, was er denn von der jüngsten Einstellung des Verfahrens gegen mich hielt. Ich fragte ihn also, ob er hier auch fände, dass die Richterin zu links sei. Er verstand sofort worauf ich anspielte: „Eine solche Aussage habe ich nie getroffen“, entgegnete er mir. Obwohl ich ihm zu verstehen gab, dass es keinen Sinn hätte, das mir gegenüber abzustreiten, beharrte er auf dieser Aussage. Unterdessen äußerte ein anderer anwesender Vier-Silbersterne-Cop, der offenbar vom Verlauf dieses Verfahrens ebenfalls bereits im vorraus unterrichtet gewesen sein musste: „Einmal in Handschellen ist mir lieber, als 10€ Strafe“. 10€ Strafe war der Betrag, um den es in dem Verfahren gegangen war, und noch immer saß ich mit auf dem Rücken gefesselten Händen da. Als ich den Vier-Silbersterne-Cop danach fragte, ob er mir erklären könne, was er mit seiner Aussage meine, meinte er nur, dass er ja nicht mit mir geredet habe. Schon möglich, aber über mich und unglücklicherweise hatte ich ihn verstanden. Trotzdem wollte er lieber nicht weiter erläutern, was er gemeint hatte und verließ den Raum lieber wieder.
Während zwei Cops damit beschäftigt waren, meine Personalien aufzunehmen, sorgte der bereits in Erscheinung getretene Cop 1 dafür, dass ich mich in seinen Augen einer Polizeiinspektion „angemessen“ verhielt. Unterdessen hatte ich nämlich meine Füße auf einen anderen Stuhl gelegt. Das war Cop 1 vermutlich zu leger. „Füße runter, wir sind hier in einer Polizeiinspektion“, schnautzte er mich an. „Ja und?“ entgegnete ich und ließ meine Füße wo sie waren, worauf er wütend auf mich zustürmte und meine Füße mit seinem Fuß – offenbar wollte er diese lieber nicht mit den Händen anfassen – vom Stuhl schob – oder besser trat. Leider konnte er mir den Stuhl nicht wegnehmen, der war nämlich an der Wand festgemacht, also legte ich meine Füße abermals auf diesen Stuhl, sobald er wieder auf seinem Platz saß. Mit wutentbranntem Gesicht stümte Cop 1 daraufhin auf mich zu und trat meine Füße von diesem Stuhl. Daraufhin drohte er mir, meine Füße zu fesseln und meine Hände an der Wand fest zu machen. Ob er dieser Drohung deswegen nicht nachkam, weil es an der Wand keine entsprechenden Ösen gab, oder weil ihm das dann schlussendlich doch zu blöd war, kann ich nicht sagen. Jedenfalls blieb seine Drohung eine leere.
Überraschend schnell waren die anderen Cops mit der „Sachbearbeitung“ fertig. Mensch nahm mir meine Handschellen ab und gab mir meine Sachen zurück. Nicht jedoch zwei Feuerzeuge, die ich in meinen Taschen hatte. Die sollte ich erst draußen bekommen. Weil ich direkt gehen wollte, ohne auf die Aushändigung einer schriftlichen Belehrung zu warten, mussten die umstehenden Cops mich noch einmal einfangen. Das erledigte der mittlerweile wieder aufgetauchte Vier-Silbersterne-Cop, der mir am nähesten stand. Ich bekam also eine Belehrung ausgehändigt, die ich kurzerhand in kleine Stücke zerriss und diese in die Luft warf. Zu meiner Überraschung ignorierten das die Cops und geleiteten mich stattdessen zu viert oder fünft ins freie und brachten mich zum Tor. Da dieses von innen verschlossen war, wollte ich kurzerhand darüber klettern. Auch das gefiel den Cops nicht; Das mache ihr Tor kaputt, erklärten sie, als sie mich runterzogen.
Also wartete ich, bis die Cops das Tor aufgesperrt hatten, nahm meine Feuerzeuge entgegen und ging. Vom Tor aus sahen mir die Cops noch hinterher, bis sie mich aus den Augen verloren.
Wie ist das Ganze zu bewerten? Nun, ich finde eigentlich nicht, dass es einer Bewertung bedarf. Das ganze spricht eigentlich für sich. Es ist eine der tagtäglichen Schikanen der Cops, die so viele Menschen ständig erleben. Wer von Cops etwas anderes erwartet, die*der ist entweder naiv oder findet Cops ohnehin ganz schnieke.
In diesem Sinne: No justice, no peace, fight the police.
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