Proteste gegen Fundis: Die lächerlichen Repressionsversuche der PI 14 gehen weiter

Es ist geradezu belustigend, wenn mensch sich die Bilanz der Repressionsversuche der  Bull*innen der PI 14 gegen diejenigen Menschen, die Monat für Monat den für eine Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen durch München laufenden Fundis das Leben etwas schwerer machen, ansieht. Immer wieder kommt es in diesem Zusammenhang zu Zusammenstößen mit den Bull*innen, die diese Veranstaltung schützen, immer wieder werden Menschen in Gewahrsam genommen, weil sich die Bull*innen anders nicht zu helfen wissen, ja manchmal war es in der Vergangenheit gar nötig, wegen einer Hand voll rebellischer Individuen „die Einsatzhundertschaft“ zu rufen, weil die etwas gemütlicheren Cops der PI 14 mit so viel subversivem Potenzial (wir reden hier in der Regel von 2 bis 5 Personen) überfordert waren.

So ist es üblich geworden, dass manche der Personen, die die Fundis so regelmäßig beim Beten stören, von den Bull*innen einen Platzverweis angedroht bekommen, sobald sie auch nur am Rande der Fundi-Demonstration auftauchen. In enger Zusammenarbeit mit Versammlungsleiter Wolfgang Hering, dem Oberfundi, der seine Sektenmitglieder früher noch anwies, ein Vater-Unser für die „fehlgeleiteten“ Gegendemonstrant*innen zu beten, suchen die Bull*innen heute stets nach Gelegenheiten, Straftatbestände oder Ordnungswidrigkeiten der Fundi-Gegner*innen zu konstruieren bzw. zu erkennen, um dann einen neuen Anlass für Repression zu haben.

Diejenigen Menschen, die seit beinahe zwei Jahren fast jeden Monat früh aufstehen, um gegen die antifeministische Scheiße, die die Fundis von sich geben mit ganz unterschiedlichen Mitteln zu intervenieren sehen diese Entwicklung jedoch als Erfolg ihres Protestes. Die Erhabenheit des selbsternannten „Jünger Jesus“, Wolfgang Hering, mit der er früher noch den Gegenprotest in seine Gebete einbezog ist mittlerweile einer permanenten Angespanntheit und Gereiztheit gewichen. Sofern er die Gegendemonstrant*innen auch heute noch in seine Gebete einschließt, dann sicher höchstens um „Gott“ anzuflehen, ihn von dieser ewigen Qual zu befreien. Und auch die Autorität der Bull*innen, die dieses monatliche Spektakel begleiten scheint soweit gesunken zu sein, dass eine bloße Drohung mit Zwangsmitteln längst nicht mehr zu reichen scheint, sondern nur noch im Versuch der Anwendung dieser Mittel die nötige Befriedigung gefunden werden kann.

Dabei kann mensch den Bull*innen keinesfalls mangelnde Kreativität vorwerfen, wenn es darum geht, die ihnen mit dem Strafgesetzbuch und verschiedenen anderen Gesetzen zur Verfügung stehenden Instrumentarien gegen die Protestierenden einzusetzen: Vom Versuch, eine Platzbesetzung in Form eines Brunchs auf dem Gehweg als „Sondernutzung“ nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes zu deklarieren, dem Versuch der Sanktionierung des Überquerens einer roten Ampel im Verlauf der Versammlung, dem Versuch Parolen und Aussagen als Beleidigungen zu interpretieren (etwa: „Hätt‘ Maria abgetrieben, wärt‘ ihr uns erspart geblieben“), der Beschlagnahmung von Mobiltelefonen und dem Vorwurf, die „Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes verletzt zu haben“, polizeilichen Datenbankabfragen, ob Fahrräder der protestierenden Personen gestohlen seien, dem Vorwurf, dass Personen die Angabe ihrer Personalien verweigert hätten, obwohl die eingesetzten Bull*innen gleichzeitig bemerkten, dass sie sie ja ohnehin kennen würden, Ingewahrsamnahmen bis zum Ende der Versammlung und natürlich den üblichen Formen körperlicher Agressionen wie Rumschubsen war bereits fast alles dabei. Nur in wenigen Fällen waren Repressionsversuche, bei denen die Gegendemonstrant*innen Strafen oder Geldbußen zahlen sollten, am Ende dann auch wirklich erfolgreich. Aber das ist nicht der Grund, warum wir diese Repressionsversuche als lächerlich bezeichnen. Repression wirkt sich nicht nur finanziell aus, tatsächlich sind die finanziellen Auswirkungen von Repression meist die Auswirkungen, die sich am besten abfangen lassen. Lächerlich sind die Repressionsversuche der Bull*innen für uns vor allem deswegen, weil sie uns wie der verbissene Versuch erscheinen, die eigene Autorität zu wahren, die jedoch bei den meisten Protestierenden nur weiter ausgehöhlt wird, wenn sie sich mit Vorwürfen konfrontiert sehen, wie eine „Sondernutzung“ des Gehwegs „verbrochen“ zu haben.

Für einige der Protestierenden wird das allmonatliche Spektakel der Fundi-Gebetsprozession so zu einem regelrechten Schauspiel, bei dem sie weitestgehend Regie führen und die Bull*innen auf diese Art und Weise vorführen können. Die grundsätzlich unangenehme Anwesenheit der uniformierten Wichtigtuer*innen wird so in jedem Fall erträglicher, das Machtgefüge verschiebt sich vor den Augen der Anwesenden zugunsten der Protestierenden und die Bull*innen können es nur dadurch wiederherstellen, dass sie gewaltsam durchgreifen, was ihrem Ansehen selbst bei Beobachter*innen, die zuvor eher auf ihrer Seite standen, eher abträglich ist. Das wichtigste dabei ist jedoch, dass es auf diese Art und Weise gelingt, den Marsch der Fundis bestenfalls zu einem Nebenschauspiel werden zu lassen, während auf der Hauptbühne die beliebte Komödie „Der Staat im Umgang mit seinen Kritiker*innen“ gegeben wird. So werden die Bull*innen ungewollt zum Werkzeug der Gegenprotestierenden und stören als solche selbst den reibungslosen Ablauf der Fundi-Prozessionen.

Kein Wunder, dass die Bull*innen da oft im Nachhinein versuchen, die Protestierenden mit Repression zu überziehen. So wollen sie beispielsweise für die sogenannte „Anwendung unmittelbaren Zwangs“, also die gewaltsame Festnahme einer Person, Gebühren erheben: Rund 50 Euro wollen sie der betreffenden Person dafür in Rechnung stellen. Ebenfalls beliebt: Bußgeldbescheide. Zuletzt über rund 120 Euro, weil sie der gleichen Person vorwerfen, ihre Personalien auf Nachfrage nicht angegeben zu haben. In diesem Fall ist das besonders bemerkenswert, da der von den Bull*innen beschriebene Vorwurf und Verlauf dieser Tat schlichtweg erlogen ist. Wie gewohnt wird das jedoch kaum einen Unterschied machen. Bull*innen decken sich vor Gericht gegenseitig und dem Angeklagten wird in der Regel ohnehin nicht geglaubt. Sich innerhalb staatlicher Strukturen, also bei Gericht gegen die Repression desselben Staates zur Wehr zu setzen ist ohnehin äußerst paradox, auch wenn dadurch zuweilen die Repressionskosten etwas verringert werden können. Dennoch darf dies nicht unsere einzige Antwort auf die Repression von Bull*innen und Staat bleiben. Als radikale Feind*innen des Staates stehen uns in jedem Fall viele andere Möglichkeiten zur Verfügung. Wir hassen den Staat, seine Knäste, seine Scherg*innen und seine Repression und wir werden sie ihm in jedem Fall vergelten.

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Urteil im AfD-Wahlparty-Prozess: 80 Tagessätze Geldstrafe für den angeklagten Antifaschisten

Im Prozess gegen einen Antifaschisten, dem vorgeworfen wurde, 2016 vermummt an einer nicht angemeldeten Demonstration gegen eine Wahlparty der AfD teilgenommen zu haben (siehe auch Aufruf zur Prozessbegleitung, Prozesstag 1), fiel heute (26.07.2019) das Urteil: Richterin Firoozi verurteilte den Antifaschisten zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen. Staatsanwältin Ott hatte eine Strafe von 90 Tagessätzen gefordert.

Der Angeklagte verzichtete darauf, für irgendetwas zu plädieren und verlaß stattdessen eine kurze Kritik am hießigen Justizsystem, in der er Richterin Firoozi aufforderte, nach Hause zu gehen, ihren Job zu kündigen, alle Akten, die sich auf ihrem Schreibtisch stapeln zu verbrennen und sich somit der ihr vom Staat zugewiesenen Position zu verweigern.

Das vollständige Statement des Angeklagten:

In den letzten Stunden haben wir zahlreiche Theorien, Hirngespinste und Mutmaßungen der Cops gehört. Das war zum Teil belustigend, zum Teil sterbenslangweilig. Ich für meinen Teil halte das Gesagte ohnehin für irrelevant, denn ich interessiere mich wenig dafür, ob es in den Augen des Gerichtes gelungen ist, mir eine strafbare Handlung nachzuweisen oder nicht. Letztlich bleibt das Ergebnis nämlich das gleiche: Ich werde hier aller Wahrscheinlichkeit nach verurteilt werden. Dabei gibt es weder ein faires noch ein gerechtes Urteil. Jedes Urteil ist Teil eines repressiven Staatsapparates und dient dazu, diejenigen Menschen, die von einer bestimmten Norm abweichen mit Gewalt zurück in diese Normen zu pressen.

In diesem Fall ist das vielleicht relativ offensichtlich: Antifaschistisches Engagement und das völlig berechtigte Interesse dabei weder von den Scherg*innen des Staates, noch von erwiesenermaßen militanten Neonazis erkannt zu werden, werden durch das Gesetz und die Scherg*innen, die es durchsetzen, kriminalisiert. In anderen Fällen teilen sich die Meinungen vielleicht stärker. Ich jedoch sehe keinen Unterschied darin, ob ich nun für einen Banküberfall, ein Körperverletzungsdelikt oder eben weil ich mir ein Stück Stoff vors Gesicht gebunden haben soll, verurteilt werde. Letztlich dient das gesamte Strafgesetzbuch dazu, die Gesellschaft im Sinne der Mehrheitsgesellschaft, deren Interessen der Staat vertritt, zu reglementieren, subversive Elemente und all diejenigen, die aufgrund irgendwelcher Zuschreibungen oder tatsächlichen Eigenschaften bewusst marginalisiert werden sollen, zu unterdrücken. Diese Tatsache halte ich für so offensichtlich, dass ich eigentlich keine Lust verspüre, diese hier weiter auszuführen. Wer mir nicht glaubt wird jedoch bei den diversen abolitionistischen Schriften, im Dialog mit den Betroffenengruppen oder beim Blick in die Gefängnisse, auf die Arbeit von Cops und Justiz und überall sonst, wo Menschen durch Institutionen gegängelt werden, fündig.

Ich jedenfalls sehe keinen Sinn darin, mich dem Gericht hier durch irgendein arschkriecherisches Plädoyer, eine ohnehin erlogene Reuebekundung oder eine Distanzierung anzubiedern, nur um der Aussicht auf eine mildere Strafe willen. Wer auch immer sich zur*zum Richter*in über einen anderen Menschen erhebt, die*der macht sich in meinen Augen zu einem Instrument des Staates und der darin herrschenden Ideologie. Dafür habe ich nur größtmögliche Verachtung übrig. Auch wenn Richter*innen sich gerne hinter dem Gesetz verstecken, haben sie in meinen Augen doch die volle Verantwortung für ihre Taten zu tragen, denn egal welche Fehlentscheidungen ein Mensch im Verlaufe seines Lebens getroffen hat – etwa Jura zu studieren, für den Staat zu arbeiten, usw. – so hat doch jeder Mensch in einer solchen Position zu jedem Zeitpunkt auch die Möglichkeit nicht mehr mitzuspielen, sich dem Ganzen zu verweigern und auszubrechen aus den beengenden und autoritären Normen dieser Gesellschaft.

In diesem Sinne erwarte ich von Ihnen als Richterin nichts weiter, als dass Sie die nötige Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen. Welches Urteil sie auch sprechen, egal ob sie mich für schuldig befinden, egal ob sie mich in ein Gefängnis sperren oder mir eine Geldstrafe auferlegen wollen, ja selbst wenn sie mich freisprechen: Es wäre autoritär. Deshalb kann ich Ihnen nur empfehlen, sich Ihrer Rolle als Dienerin dieses repressiven Scheißstaats zu verweigern. Gehen Sie nach Hause, kündigen sie Ihren Job, verbrennen Sie all die Akten, die sich auf Ihrem Schreibtisch angesammelt haben, leisten Sie Widerstand gegen die autoritären Zumutungen dieses Staates und dieser Gesellschaft. Nur dann können Sie für sich in Anspruch nehmen, nicht Teil des Ganzen zu sein.

Ein ausführlicher Prozessbericht inklusive der Vernehmung des Staatsschutz-Cops Stuber wird vermutlich in den kommenden Tagen hier veröffentlicht werden.

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Fortsetzung des AfD-Wahlparty-Prozesses am Freitag, den 26.07.2019 um 09 Uhr

Am kommenden Freitag, den 26.07.2019 um 09 Uhr wird vor dem Amtsgericht München der Prozess gegen einen Antifaschisten fortgesetzt, dem vorgeworfen wird, sich 2016 vermummt an einer Demonstration gegen eine AfD-Wahlparty beteiligt zu haben.

Zu diesem Prozesstag wird der Staatsschutz-Cop Stuber geladen sein, der im Zuge dieses Prozesses die Sachbearbeitung übernommen hatte und der den Antifaschisten auf einem ihm von der AfD anonym zugespielten Video erkannt haben will.

Unser Bericht vom ersten Prozesstag kann hier nachgelesen werden.

Treffpunkt zum gemeinsamen Prozessbesuch ist um 08:30 Uhr vor dem Justizgebäude in der Nymphenburger Straße 16.

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AfD-Wahlparty-Prozess: Bericht zum 1. Prozesstag

150 Euro Ordnungsgeld für „unflätige Sprache“

Am 08. Juli 2019 begann der Prozess gegen einen Antifaschisten vor dem Münchner Amtsgericht. Ihm wird vorgeworfen, im September 2016 einer Wahlparty der Münchner AfD im “Restaurant Portugal” als vermummter Teilnehmer einer Antifa-Demonstration einen Besuch abgestattet zu haben. Deshalb muss er sich nun wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot des bayerischen Versammlungsgesetzes vor dem Amtsgericht München verantworten (Mehr zu den Hintergründen findet ihr hier).

Der erste Prozesstag begann damit, dass die vorsitzende Richterin Firoozi den Angeklagten darauf hinwies, dass mensch vor Gericht “in Schuhen” zu erscheinen habe. Der Angeklagte, der barfuß gekommen war, meinte daraufhin nur, dass er das nicht für nötig halten würde. Sichtlich gereizt eröffnete die Richterin Firoozi also den Prozess und begann mit der Feststellung der Personalien des Angeklagten. Weil dieser hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit angab, dass er Angehöriger der “Scheiß-Bundesrepublik Deutschland” sei, wurde er sogleich wegen seines unangebrachten “Tons” gerügt. Obwohl der Angeklagte mitteilte, dass er zuvor zwei Anträge verlesen wolle, verlas Staatsanwältin Ott zunächst die Anklage.

Erst danach durfte der Angeklagte, der sich in diesem Prozess selbst verteidigt, seine Anträge auf Abnahme des Kreuzes (im Wortlaut siehe hier) und die sofortige Entfernung der anwesenden, uniformierten Justizbeamt*innen aus dem Gerichtssaal (im Wortlaut siehe hier) verlesen. Beide Anträge wurden von der Richterin abgelehnt. Eine Entfernung des Kreuzes aus dem Gerichtssaal widerspräche nach Auffassung von Richterin Firoozi und Staatsanwältin Ott der im Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit. Offenbar gehört es also zur Religionsfreiheit, dass in bayerischen Gerichten ein Kreuz hängt. Die vier im Saal befindlichen Justizbeamt*innen würden der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gerichtssaal dienen. Es sei weder eine Einschränkung der Öffentlichkeit, noch eine Einschränkung des Angeklagten in seinen Verteidigungsrechten erkennbar.

Weil der Angeklagte in seinem Antrag auf einen Verweis der anwesenden Justizbeamt*innen dieselben als “Scherg*innen des Staates” und “Macker*innen” bezeichnete, beantragte Staatsanwältin Ott ein Ordnungsgeld gegen den Angeklagten. Richterin Firoozi gab diesem Antrag statt und verhängte ein Ordnungsgeld von 150€ bzw. ersatzweise 3 Tage Ordnungshaft gegen den Angeklagten. Er habe sich durch wiederholte “unflätige Äußerungen” der “Ungebühr gegen das Gericht” schuldig gemacht.

Während Richterin Firoozi der Gerichtsschreiberin diesen Beschluss diktierte, erdreistete sich eine Person aus dem Publikum ihr Handy zu gebrauchen. Einer der uniformierten Macker verbat ihm das, woraufhin Richterin Firoozi diese Person anfuhr, dass sie sich gefälligst still zu verhalten habe. Doch das sollte nicht die einzige Störung bleiben. Der Angeklagte erhob sich unterdessen, um sofortige Beschwerde gegen die Verhängung des Ordnungsgeldes einzureichen. “Sitzen bleiben!” schrie Firoozi ihn an, “Sie haben nichts zu bringen!”. Natürlich hielt das den Angeklagten nicht davon ab, Richterin Firoozi seine Beschwerde dennoch auszuhändigen.

Die Ablehnung der Anträge auf eine Entfernung des Kreuzes und den Verweis der Justizbeamt*innen aus dem Gerichtssaal veranlasste den Angeklagten dazu, nun auch zwei Befangenheitsanträge gegen die Richterin Firoozi zu stellen, die diese jedoch zurückstellte, um nun endlich mit der Beweisaufnahme beginnen zu können.

Zuvor jedoch verlas der Angeklagte noch eine Prozesserklärung, die wir im folgenden im Wortlaut dokumentieren:

Ich denke es versteht sich von selbst, dass ich zu den Tatvorwürfen gegen mich keinerlei Aussage machen werde. Ich lehne Staat und Justiz ab und verweigere mich ihnen gegenüber jeglicher Zusammenarbeit. Weder liegt es in meinem Interesse, bei der Aufklärung angeblicher Taten, die ich begangen haben soll, mitzuwirken, noch habe ich ein Interesse daran, durch Aussagen, die mich möglicherweise entlasten könnten, für die Cops und die Justiz wertvolle Hinweise zu geben, die in der Folge dazu genutzt werden könnten, andere Personen zu belasten. Deals mit der Justiz? Nein Danke!

Ich bin auch nicht freiwillig hier, wenngleich ich natürlich scheinbar freiwillig hier erschienen bin. Wäre ich von der Verhandlung unerlaubt ferngeblieben, wäre ich vermutlich durch irgendwelche Cops hier vorgeführt worden. Darauf verspürte ich keine gesteigerte Lust und bin also lieber von selbst hier erschienen. Wo ich doch nun schon einmal hier bin, möchte ich aber die Gelegenheit nutzen, einige Kommentare zu den mir vorgeworfenen Taten abzugeben. Und da ich auch danach noch eine ganze Weile hier anwesend sein muss, werde ich auch diese Zeit – im Rahmen meiner Teilhabemöglichkeiten an der Gestaltung eines solchen Spektakels und möglicherweise auch darüber hinaus – nutzen, um meine Perspektiven auf den hier verhandelten Sachverhalt beizusteuern. Das erscheint mir jedenfalls lustiger, als hier nur passiv herumzusitzen.

Den Ermittlungsakten zu diesem Fall habe ich entnommen, dass im September 2016 wohl eine sogenannte “Wahlparty” der AfD in München Besuch von einer antifaschistischen Demonstration bekam. Weil die AfD bei der damaligen Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern wohl ein recht passables Ergebnis erwartete, fanden sich auf Einladung des Münchner AfD-Funktionärs Wilfried Biedermann mehrere hundert Rassist*innen, extrem Rechte und Neonazis zu dieser Wahlparty im “Restaurant Portugal” in der Nähe des Ostbahnhofs ein. Kurz bevor die ersten Hochrechnungen verkündet wurden, näherte sich am Horizont eine Antifa-Demonstration, was – den Ermittlungsakten zufolge – einige der AfD-Sympathisant*innen wohl heftig erschreckte. Ein Teil der vor dem “Restaurant Portugal” stehenden Personen flüchtete ins Innere, ein anderer Teil, darunter – den Ermittlungen der Cops zufolge und dem zufolge, was aus den verschiedenen Presseberichten zu entnehmen war – der Neonazi Lukas Bals, der extrem rechte Rapper und Gründer des extrem rechten “Bündnis Deutscher Patrioten” Christoph Aljoscha Zloch, auch bekannt als “Chris Ares”, der ebenfalls bekannte Richard Günter Wegner und Andre Karim Nemji griffen die herannahende Demonstration vor den Augen der übrigen Umstehenden an.

Alleine diese Angriffe, das belegen unter anderem die in diesem Verfahren als Beweismittel geführten Videos, scheinen mir eine Verteidigung dieser Demonstration und ihrer Teilnehmer*innen gegen die angreifenden Neonazis und extreme Rechte notwendig zu machen und nach allem Bild- und Videomaterial, sowie den diversen Zeug*innenaussagen in der Akte scheint es mir an diesem Tag bei solchen Verteidigungshandlungen geblieben zu sein. Aber inwieweit kann sich der Widerstand gegen militante Neonazis und andere Rassist*innen, die in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder durch verbale und physische Gewalt, ja sogar Morde auffällig werden, an und gegenüber Menschen, die sie außerhalb ihrer rassistischen, antisemitischen, homofeindlichen und autoritären Vorstellungen eines angeblich “weißen deutschen Volkes” verorten, auf Verteidigungshandlungen, ja gewissermaßen Notwehrhandlungen beschränken?

Die rassistische, antisemitische, homofeindliche und generell menschenverachtende Gewalt von Neonazis und anderen extremen Rechten gedeiht in Deutschland auf dem Nährboden einer postnationalsozialistischen Gesellschaft, die selbst zutiefst rassistische, antisemitische, homofeindliche und viele weitere diskriminierende Ideologien verinnerlicht hat und sich kontinuierlich einer Aufarbeitung dieser Ideologien verweigert. Infolgedessen werden all diejenigen, die nicht innerhalb einer weißen Mehrheitsgesellschaft verortet werden, an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Dort sind sie nicht nur den zutiefst gewaltvollen, rassistischen und menschenverachtenden Angriffen staatlicher Behörden ausgesetzt, wie etwa Geflüchtete Personen in den zahlreichen Lagern, die ausschließlich der Kontrolle und Schikane dienen, sondern sie sind häufig auch vogelfrei und somit ein leichtes Ziel für Rassist*innen, Neonazis und extreme Rechte. Dass diese Menschen sogar gezielt ermordet werden können, ohne dass staatliche Behörden eingreifen und die organisierten Neonazi-Netzwerke, aus denen heraus diese Morde verübt werden, zerschlagen würden, zeigte zuletzt der NSU-Prozess, der in diesem Gebäude stattfand.

Verwunderlich ist das kaum, schließlich gehört der Rassismus, der diesen Morden und Gewalttaten zugrundeliegt, quasi zum guten Ton innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Er findet sich entgegen eines weit verbreiteten Mythos nicht nur an Stammtischen, sondern ist überall beheimatet: In den staatlichen Institutionen, in der sogenannten “Arbeitswelt”, in Sportvereinen, in Schulen, Kindergärten, auf der Straße, einfach überall.

Gerade in den letzten Jahren nehmen rassistische und rechte Äußerungen in der Öffentlichkeit, in den Medien, in sozialen Netzwerken und in den Parlamenten wieder massiv zu. Zahlreiche rassistische Gesetzesverschärfungen erschweren vielen ohnehin schon von Rassismus betroffenen Personen das Leben in Deutschland zusätzlich. Die Tatsache, dass eine von weiten Teilen der Gesellschaft getragene Debatte darüber stattfindet, ob Menschen in Seenot gerettet werden dürfen und die realen Auswirkungen dieser Debatte, die zu tausenden Ertrunkenen im Mittelmeer führen, zeigen ganz deutlich, wie weit die Grenze des Sagbaren bereits verschoben ist.

Die AfD ist eine wichtige Akteurin in diesem Prozess. Ihre Funktionär*innen nehmen durch immer weiter enthemmte Beiträge bewusst und erfolgreich Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs und treiben damit die Politik aller Parteien vor sich her. Durch die von Funktionär*innen der AfD betriebene rassistische Hetze radikalisieren bzw. enthemmen sich all diejenigen Rassist*innen, die später auch vor Gewalttaten nicht zurückschrecken und auch im direkten Umfeld der AfD bewegen sich solche Rassist*innen. Die AfD anzugreifen erscheint mir aus antifaschistischer Perspektive also geradezu notwendig.

Aber es geht um mehr. Eine Gesellschaft, die die derzeit vorherrschenden rassistischen und menschenverachtenden Praktiken in den Lagern für Geflüchtete, den Abschiebeknästen und an Europas Außengrenzen duldet, muss von uns ebenso angegriffen werden, wie die staatlichen Institutionen, die diese Praktiken etablieren. Antifaschismus kann nur gegen den Staat erfolgreich sein. Antifaschismus bedeutet in seiner letzten Konsequenz die Aufhebung des Staates und dessen Institutionen und ganz besonders die Zerschlagung seiner Repressionsorgane.

Anschließend wurde die Polizeibeamtin Gahn vernommen.

Am Tag des Geschehens sei Gahn zusammen mit ihrer Gruppe von Cops ab 17:05 Uhr eingesetzt gewesen, um nach flüchtigen Verdächtigen im Umkreis der Gaststätte Portugal zu fahnden. Nicht lange danach habe sie eine Gruppe von 5 Personen auf dem nahegelegenen Piusplatz, bzw. an der Aschheimer Straße auf Höhe des Piusplatzes festgestellt und mit ihrer Einheit in Gewahrsam genommen. Darunter sei auch der Angeklagte gewesen. Wie weit das vom angeblichen Tatort entfernt gewesen sei? Vielleicht 200 Meter, schätzt Gahn. Knapp daneben: Lässt mensch die Entfernung beispielsweise vom Online-Kartendienst Openstreetmap errechnen, ergibt sich für den kürzesten Fußweg zwischen den beiden Punkte eine Entfernung von 921 Meter. Nun ja, kann ja mal passieren. Nachdem die 5 Personen von Gahn und ihrer Gruppe in Gewahrsam genommen worden waren, seien sie durchsucht und fußläufig zu einer Koordinierungsstelle verbracht worden. Dort seien sie eine ganze Weile, mindestens jedoch mehrere Stunden in polizeilichem Gewahrsam verblieben.

Die Frage des Angeklagten, nach welchen Kriterien die Cops um Gahn denn die in Gewahrsam genommenen Verdächtigen identifiziert hätten, ob diese Kriterien ebenso lächerlich seien wie die in den Akten dokumentierte, klischeehafte Bestimmung einer Person mit “grünen Haaren” als “Tatverdächtige*r”, schalteten sich Staatsanwältin Ott und Richterin Firoozi ein. Diese Frage spiele für diese Verhandlung keine Rolle. Vielmehr handele es sich dabei um einen “Ausforschungsantrag”, mit dem Einblicke in Interna der Polizeiarbeit gewonnen werden sollen. Haha, als ob es dieser Einblicke bedürfe. Der darauf folgende, erneute Befangenheitsantrag des Angeklagten wird von Richterin Firoozi erneut zurückgestellt.

Nun werden zwei Videos vorgespielt. Eigentlich handelt es sich bei dem Video zweimal um das gleiche Video, in einem Fall um das “Original” (das den Cops anonym über die AfD zugespielt wurde), im anderen Fall um eine Bearbeitung durch den Cop Stuber, in der er eine auf dem Video sichtbare, vermummte und offensichtlich nicht identifizierbare Person anhand eines Rucksacks und “schwarzer Lederschuhe” als den Angeklagten identifiziert haben will. Deshalb wird in den Untertiteln zum bearbeiteten Video wiederholt behauptet, es handele sich bei dieser Person um den Angeklagten, einmal wird gar behauptet, dass der Angeklagte eine Tathandlung begehe, obwohl selbst der Subtext des Videos eingestehen muss, dass davon nichts auf dem Video zu sehen ist (ja, nicht einmal bei der unbekannten vermummten Person). Die Unterstellung bleibt trotzdem stehen. Aus diesem Grund beantragt der Angeklagte, dieses bearbeitete Video als Beweismittel abzulehnen, weil es einen suggestiven Charakter habe. Auch dieser Antrag wird abgelehnt. Da es auch noch ein Original-Video gebe, wohne dem Video keine Suggestivkraft inne, so Richterin Firoozi. Der Einwand des Angeklagten, dass mensch das bearbeitete Video dann ja auch zugunsten des Originals verwerfen könne bleibt ungehört.

Nach einigen letzten Anträgen in denen die Ladung zahlreicher weiterer Cops beantragt wurde, wird dann die Hauptverhandlung endlich unterbrochen. Sofern die vom Angeklagten gestellten Befangenheitsanträge nicht positiv beschieden werden, wird die Verhandlung am Freitag, den 26.07.2019 um 09:00 Uhr fortgesetzt. Zu diesem Termin wird dann der Staatsschutz-Cop Stuber, der an diesem Tag wegen Krankheit nicht erschienen war, geladen.

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„Einmal in Handschellen ist mir lieber als 10€ Strafe“ – Cops nehmen anarchistischen Pro Choice Aktivisten in Gewahrsam

Im Rahmen der Proteste gegen fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen in München kam es gegen Ende des Fundiaufmarsches heute zu einer Ingewahrsamnahme eines anarchistischen Pro Choice Aktivisten. Es handelt sich dabei um den gleichen Aktivisten, der am gestrigen 24. Juni einen Prozess wegen seines Engagements gegen fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen gehabt hätte. Dieses Verfahren wurde vor der Verhandlung jedoch durch die Richterin eingestellt.

Wir dokumentieren im folgenden seinen Erlebnisbericht der heutigen Ingewahrsamnahme:

Wie beinahe jeden Monat begleitete ich auch am heutigen 25. Juni die Prozession fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen um Wolfgang Hering. Dass ich dabei wie üblich auch die kleinen Freiräume, die bei einem so spärlichen Gegenprotest (insgesamt protestierten heute 5 Personen sichtbar gegen die Fundis, stellenweise waren es gar nur zwei Personen) entstehen, nutzte, um mich den Anweisungen der begleitenden Cops zu widersetzen und in die Nähe der Fundis zu gelangen, fanden die Cops wie immer gar nicht lustig.

Nachdem ich die Demonstration der Fundis von pro familia zur Universität begleitet hatte, wollten die Cops mich und eine andere Person unbedingt von der Abschlusskundgebung der Fundis fernhalten. Dazu stellten sie sich – ungefähr zu sechst, vielleicht auch etwas mehr – in einem Halbkreis auf und schubsten uns Gegenprotestierende immer wieder zurück. Wie bei jeder Polizeikette, ergaben sich natürlich auch hier Lücken und so hatten wir relativ viel Spaß beim obligatorischen Katz und Maus Spiel mit den Cops, insbesondere da sich dabei die Laune der Cops beständig zu trüben schien.

Kurz vor Ende der Veranstaltung schien dann das Fass für die Cops überzulaufen. Weil ich irgendwelchen neuerlichen Anweisungen der Cops auch dann nicht nachkommen wollte, als sie diese mit Gewalt durchsetzen wollten, nahmen mich eine handvoll Cops kurzerhand in Gewahrsam und fesselten mir die Hände mit Handschellen auf dem Rücken. Zuvor hatten sie mich aufgefordert, mich zu entfernen, da die Veranstaltung der Fundis angeblich vorbei sei – die Fundis indessen standen unterdessen auch weiterhin mit ihrer Marienikone und ihren widerlichen Schildern gut sichtbar auf dem Platz vor der Uni und schienen nicht daran zu denken, zu gehen. Als ich die Cops fragte, warum sie mich denn nun in Gewahrsam nähmen, antworteten sie, ich sei einem Platzverweis nicht nachgekommen und meine Ingewahrsamnahme sei nötig, um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung der Fundis zu gewährleisten. Seltsam, wie lässt sich der Ablauf einer Veranstaltung gewährleisten, die bereits vorbei ist? Nun ja, immerhin sollte das nicht die endgültige Version der Cops bleiben.

Unterdessen wurde ich in ein bereitstehendes Fahrzeug der Cops bugsiert, darin von einem Cop (Cop 1) auf einen Sitz gedrückt und angeschnallt. Er und ein zweiter Cop (Cop 2) nahmen ebenfalls im Rückraum des Fahrzeuges Platz, um mich angemessen zu bewachen, ein dritter Cop (Cop 3) stieg vorne ein, ließ den Motor an und fuhr los. Kurz nachdem wir losgefahren waren, erregte ein im Rückraum des Fahrzeug befestigtes Telefon/Funkgerät mit Hörer meine Aufmerksamkeit. Da ich gerade ohnehin nichts besseres zu tun hatte, versuchte ich mit meinem Kopf (meine Hände waren ja immernoch auf dem Rücken gefesselt) den Hörer abzunehmen, um zu sehen, was mensch damit tun könne. Dazu schnallte ich mich auch ab. Das wiederum gefiel meinen Bewacher*innen gar nicht! Cop 1 saß mir gegenüber. Er schnallte sich ebenfalls ab und sprang mich an. Gemeinsam mit Cop 2 (neben mir) gelang es ihm, mich wieder anzuschnallen und fortan ohne jede Bewegungsfreiheit am Sitz zu fixieren. Dazu stellte er sich über mich und drückte mich gegen den Sitz. Dabei drückte er auch seinen Ellbogen in meine Kehle. Als ich ihn darauf ansprach, leugnete er das gar, ganz so als wüsste er nicht genauso wie ich, dass er das mit voller Absicht getan hatte. Trotzdem lockerte er daraufhin seinen Griff zu meiner Überraschung ein wenig.

Die restliche Fahrt zur Polizeiinspektion 14 in der Beethovenstraße verlief recht kurzweilig und – zumindest für mich – einigermaßen amüsant. Wohl um zu verhindern, dass ich mich noch einmal abschnallen könnte, wieß einer meiner Bewacher-Cops den Fahrer an, schneller zu fahren, woraufhin dieser mit Blaulicht und Sirene und ziemlich wüst in die folgenden Kreuzungen einfuhr. Ich war mittlerweile ja wieder angeschnallt worden, aber Cop 1, der die ganze restliche Fahrt über mir stand, wurde im Innenraum des Fahrzeuges dadurch hin und her geschleudert. Sehr zu meiner Belustigung.

Noch während der Fahrt forderten die Cops ein Empfangskomitee an, das uns dann auch bei Einfahrt in die Polizeiinspektion 14 erwartete. Kaum kam das Fahrzeug zum stehen, sprinteten mehrere Cops von außen auf das Fahrzeug zu, ganz so als müssten sie dieses stürmen. Meine beiden Bewacher*innen sprangen ebensoschnell aus dem Fahrzeug heraus und so standen die Cops dann gemeinsam an der Tür. Ich fragte sie, ob es ihnen etwas ausmache, wenn ich freiwillig aussteige, oder ob sie sich bereits darauf gefreut hätten, mich aus dem Wagen zu schleifen. Letztlich einigten wir uns auf eine Art Mittelweg. Obwohl meine Hände auch weiterhin auf dem Rücken gefesselt waren, geleiteten mich zwei Cops in die Inspektion, wobei sie ununterbrochen und mit festem Griff meine Oberarme umklammerten.

Sie führten mich in das Gebäude und geleiteten mich in einen Empfangsraum, wo sie mir meinen Rucksack abnahmen und mich durchsuchten – vor der Uni war dazu keine Zeit gewesen, immerhin wollte mensch mich schnell aus dem Blickfeld neugieriger Beobachter*innen befördern, die für meine Ingewahrsamnahme ebensowenig Verständnis aufzubringen schienen, wie ich selbst. Anschließend bugsierte mensch mich auf einen Stuhl.

Meine Anwesenheit musste sich auf der Polizeiinspektion schnell herumgesprochen haben, zumindest dauerte es keine Minute, bis ein alter Bekannter das Zimmer betrat: Der Cop Nützel. Nützel ist häufig Einsatzleiter bei den Fundi-Prozessionen und unter uns Gegendemonstrant*innen für seine rechten Äußerungen bekannt. An mir hatte Nützel ganz besonders einen Narren gefressen. Für ihn bin ich ein „stinkender“, „ungewaschener“, „arbeitsloser“, „vorlauter“ Linker (nicht dass ich mit all dem ein Problem hätte, für den Cop Nützel jedoch scheint das mit einer Abwertung verbunden zu sein), den es mit allen erdenklichen Mitteln zu bekämpfen gilt. Erst gestern, am 24.06.2019 hätte ich eigentlich einen Prozess gehabt, weil ich im Zusammenhang mit einer Versammlung der Fundis einmal eine rote Ampel überquert hatte. Die entsprechende Kreuzung war zwar für die Demonstration bereits durch die Cops gesperrt, aber für den Cop Nützel war das ein Anlass, einen lächerlichen Repressionsversuch zu wagen. Allerdings stellte die zuständige Richterin später das Verfahren gegen mich ein (die ganze Geschichte erfahrt ihr hier). Vermutlich zum Leid des Cops Nützel, denn früher hatte mir der einmal eine*n Richter*in gewünscht, die nicht so „links“ sei und endlich gegen mich durchgreifen würde. Als ich den Cop Nützel nun so vor mir stehen hatte – und ja nun auch nicht einfach weggehen konnte – beschloss ich, ihn dazu zu befragen, was er denn von der jüngsten Einstellung des Verfahrens gegen mich hielt. Ich fragte ihn also, ob er hier auch fände, dass die Richterin zu links sei. Er verstand sofort worauf ich anspielte: „Eine solche Aussage habe ich nie getroffen“, entgegnete er mir. Obwohl ich ihm zu verstehen gab, dass es keinen Sinn hätte, das mir gegenüber abzustreiten, beharrte er auf dieser Aussage. Unterdessen äußerte ein anderer anwesender Vier-Silbersterne-Cop, der offenbar vom Verlauf dieses Verfahrens ebenfalls bereits im vorraus unterrichtet gewesen sein musste: „Einmal in Handschellen ist mir lieber, als 10€ Strafe“. 10€ Strafe war der Betrag, um den es in dem Verfahren gegangen war, und noch immer saß ich mit auf dem Rücken gefesselten Händen da. Als ich den Vier-Silbersterne-Cop danach fragte, ob er mir erklären könne, was er mit seiner Aussage meine, meinte er nur, dass er ja nicht mit mir geredet habe. Schon möglich, aber über mich und unglücklicherweise hatte ich ihn verstanden. Trotzdem wollte er lieber nicht weiter erläutern, was er gemeint hatte und verließ den Raum lieber wieder.

Während zwei Cops damit beschäftigt waren, meine Personalien aufzunehmen, sorgte der bereits in Erscheinung getretene Cop 1 dafür, dass ich mich in seinen Augen einer Polizeiinspektion „angemessen“ verhielt. Unterdessen hatte ich nämlich meine Füße auf einen anderen Stuhl gelegt. Das war Cop 1 vermutlich zu leger. „Füße runter, wir sind hier in einer Polizeiinspektion“, schnautzte er mich an. „Ja und?“ entgegnete ich und ließ meine Füße wo sie waren, worauf er wütend auf mich zustürmte und meine Füße mit seinem Fuß – offenbar wollte er diese lieber nicht mit den Händen anfassen – vom Stuhl schob – oder besser trat. Leider konnte er mir den Stuhl nicht wegnehmen, der war nämlich an der Wand festgemacht, also legte ich meine Füße abermals auf diesen Stuhl, sobald er wieder auf seinem Platz saß. Mit wutentbranntem Gesicht stümte Cop 1 daraufhin auf mich zu und trat meine Füße von diesem Stuhl. Daraufhin drohte er mir, meine Füße zu fesseln und meine Hände an der Wand fest zu machen. Ob er dieser Drohung deswegen nicht nachkam, weil es an der Wand keine entsprechenden Ösen gab, oder weil ihm das dann schlussendlich doch zu blöd war, kann ich nicht sagen. Jedenfalls blieb seine Drohung eine leere.

Überraschend schnell waren die anderen Cops mit der „Sachbearbeitung“ fertig. Mensch nahm mir meine Handschellen ab und gab mir meine Sachen zurück. Nicht jedoch zwei Feuerzeuge, die ich in meinen Taschen hatte. Die sollte ich erst draußen bekommen. Weil ich direkt gehen wollte, ohne auf die Aushändigung einer schriftlichen Belehrung zu warten, mussten die umstehenden Cops mich noch einmal einfangen. Das erledigte der mittlerweile wieder aufgetauchte Vier-Silbersterne-Cop, der mir am nähesten stand. Ich bekam also eine Belehrung ausgehändigt, die ich kurzerhand in kleine Stücke zerriss und diese in die Luft warf. Zu meiner Überraschung ignorierten das die Cops und geleiteten mich stattdessen zu viert oder fünft ins freie und brachten mich zum Tor. Da dieses von innen verschlossen war, wollte ich kurzerhand darüber klettern. Auch das gefiel den Cops nicht; Das mache ihr Tor kaputt, erklärten sie, als sie mich runterzogen.

Also wartete ich, bis die Cops das Tor aufgesperrt hatten, nahm meine Feuerzeuge entgegen und ging. Vom Tor aus sahen mir die Cops noch hinterher, bis sie mich aus den Augen verloren.

Wie ist das Ganze zu bewerten? Nun, ich finde eigentlich nicht, dass es einer Bewertung bedarf. Das ganze spricht eigentlich für sich. Es ist eine der tagtäglichen Schikanen der Cops, die so viele Menschen ständig erleben. Wer von Cops etwas anderes erwartet, die*der ist entweder naiv oder findet Cops ohnehin ganz schnieke.

In diesem Sinne: No justice, no peace, fight the police.

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08. Juli 2019: Prozess gegen Antifaschisten im Zusammenhang mit einer Wahlparty der AfD von 2016

Sonntag, 04. September 2016. Anlässlich irgendwelcher Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern veranstaltet die Münchner AfD eine Wahlparty in der Gaststätte „Portugal“ in der Friedensstraße 28 in München. Mehrere hundert Anhänger*innen, darunter Parteimitglieder, deutschlandweit bekannte Neonazis und andere Rechte kommen der Einladung des Organisators Wilfried Biedermann (damaliger und heutiger Vorsitzender des AfD Kreisverbands München-Ost) nach und versammeln sich in der Gaststätte, um das bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern erwartete, positive Abschneiden der AfD zu feiern.

Doch wo immer sich Rechtspopulisten, extrem Rechte und Neonazis versammeln, müssen sie mit antifaschistischer Gegenwehr rechnen. So auch an diesem Tag. Als sich kurz vor 18 Uhr eine unangemeldete und damit auch unbegleitete Antifa-Demonstration auf die Gaststätte zubewegt, rutscht nicht wenigen der Rechten das Herz in die Hose. Gleich „mehrere Anrufer“ wählen den Notruf der Polizei und rufen die Staatsmacht zu Hilfe, so steht es im späteren Untersuchungsbericht des Cops Schreiner-Bozic (Staatsschutz). Andere rechte Macker, darunter der bekannte Neonazi Lukas Bals, Andre Karim Nemji, Richard Günter Wegner und der unter dem Namen „Chris Ares“ bekannte, extrem rechte Rapper Christoph Aljoscha Zloch (Wegner und Zloch waren damals bekannte Gesichter des sich zwischen neurechter und neonazistischer Ideologie bewegenden „Bündnis Deutscher Patrioten“) dagegen entschieden sich dazu, die herannahende Antifa-Demo physisch anzugreifen. Zloch zog sich zu diesem Zweck sogar sein Hemd aus und drückte es – ihren eigenen Aussagen bei den Cops nach – Brigitte Fischbacher (AfD) in die Hand. Dies belegen nicht nur zahlreiche Bilder von anwesenden Pressefotograf*innen (etwa hier), sondern auch ein von der AfD damals selbst veröffentlichtes und mittlerweile gelöschtes Video der Ereignisse.

Bevor die von den anwesenden Rechten herbeigerufenen Cops schließlich mit einem Großaufgebot an der Gaststätte Portugal eintrafen, hatten sich die Antifaschist*innen bereits zurückgezogen. Die Cops leiteten daher eine Großfahndung ein, in deren Rahmen sie völlig willkürlich und gemäß sämtlicher vorstellbarer Klischees vermeintlich linke Personen in der weiteren Umgebung des Veranstaltungsortes der AfD-Wahlparty in Gewahrsam nahmen. Verdeutlicht wird das durch einen Aktenvermerk der Polizistin Gahn (4. Zug der 1. Einsatzhundertschaft PI ED 1): „[…] PHM Weide, PM Pfleger, PM Lederer, PM Sauer, PM Ehrenberg, PM Wilke und PMin Nannen [trafen] […] eine weibliche Person […] an, welche vom Erscheinungsbild dem linken Spektrum zuzuordnen war. Aufgrund dessen, dass diese Person weiße Tischdecken zusammengerollt in ihrem Rucksack trug, wurde die Identität dieser Person festgestellt. […] Im Anschluss wurde von PM Wilke und PM Pfleger eine weitere männliche Person […] angetroffen. Diese Person hatte grüne Haare und war ebenfalls dem linken Spektrum zuzuordnen. […]“

Insgesamt 15 Personen nahmen die Cops auf diese Art und Weise in Gewahrsam. Von allen Personen, ebenso wie von den von ihnen mitgeführten Gegenständen wurden Fotos angefertigt. Außerdem wurden zahlreiche mitgeführte Mobiltelefone und Speichermedien beschlagnahmt, die im Rahmen der späteren Ermittlungen vom Cop Fischaleck (K123) mit der Software „UFED Physical Analyzer“ (Hersteller: TEEL technologies) ausgewertet wurden.

Trotz all dieser Schikanen und des erheblichen Ermittlungsaufwandes, der von den Cops in dieser Sache unter Leitung des Cops Stuber (K43) betrieben wurde, war es den Cops offensichtlich 2,5 Jahre lang nicht möglich, einen Nachweis für die Schuld dieser Beschuldigten zu erbringen und die Ermittlungen entsprechend abzuschließen. Erst nachdem Staatsanwältin Ott im Januar 2019 Druck macht und dem Cop Stuber eine Deadline zur Abfassung des Schlussbereichtes setzt, weil mögliche Straftaten sonst im September zu verjähren drohen, kommt wieder Bewegung in die Sache.

Da sämtliche Beschuldigten eine Aussage den Cops gegenüber verweigerten, versuchte der Cop Stuber nun vor allem anhand eines Rucksacks und schwarzer Lederschuhe, die angeblich im Besitz des angeklagten Antifaschisten waren, als die Cops ihn festnahmen und die der Cop Stuber auf einem ihm aus dem Umfeld der AfD über den Funktionär Wilfried Biedermann anonym zugespielten Video wiedererkannt haben will, zu beweisen, dass der angeklagte Antifaschist vermummt an der Demonstration gegen die AfD teilgenommen habe.

In einem am 09.05.2019 ausgestellten Strafbefehl über 60 Tagessätze wurde der angeklagte Antifaschist von der Richterin Firoozi deshalb wegen angeblicher Vermummung auf einer Versammlung verurteilt. Dagegen legte er Einspruch ein.

Am 08. Juli 2019 kommt es deswegen nun um 13 Uhr im Sitzungssaal A 219 des Strafjustizzentrums in der Nymphenburger Straße 16 zum Prozess gegen den Antifaschisten. Wir rufen euch dazu auf, diesen Prozess solidarisch zu begleiten. Wir treffen uns zum gemeinsamen Prozessbesuch um 12:15 Uhr vor dem Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße 16.

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[ABGESAGT] 24. Juni 2019: Erneuter Prozess gegen anarchistischen Pro Choice Aktivisten

UPDATE: Es scheint, als wäre es der zuständigen Richterin doch zu blöd, wegen unten stehender Sache einen Prozess zu führen. Sie stellte das Verfahren gegen den anarchistischen Pro Choice Aktivisten vor dem Prozess ein. Ob ihr das ganz allgemein zu blöd war, oder ob sie keine Lust hatte, dass ein linksradikaler Mob ihren Gerichtssaal unsicher macht, lässt sich leider nicht mit Sicherheit sagen. Für den Cop Nützel ist dieses Verfahren nun vermutlich ein weiteres Beispiel dafür, dass die Richter*innen an den Münchner Gerichten zu links sind.

Den folgenden Aufruf behalten wir aus Archiv-Gründen auf unserer Webseite:

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Mensch sollte meinen, manche Dinge wären selbst den Cops und der Justiz zu blöd. Nicht jedoch dem Polizeikommissar Nützel und dem Amtsgericht München. Weil ein anarchistischer Pro Choice Aktivist im Zusammenhang mit einer Demonstration einer Gruppe fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen bei Rotlicht über eine für diese Demonstration bereits gesperrte Kreuzung ging, soll er sich nun vor dem Amtsgericht München wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung verantworten. Zuvor hatte der Aktivist bereits einen Bußgeldbescheid über 10€ bekommen, gegen den er Einspruch eingelegt hatte.

Am Montag, den 24.06.2019 ist nun um 13:50 Uhr der Termin zur Hauptverhandlung in dieser Angelegenheit im Sitzungssaal A 21 im Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße 16 angesetzt. Der betroffene Anarchist kündigte an, die ohnehin schon absurde Verhandlung zu einem kleinen Spektakel machen zu wollen. Falls ihr darauf ebenfalls Lust habt, freut er sich über entsprechende Interventionen.

Worum geht es?

Jeden Monat läuft eine Gruppe fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen um den Oberfundi Wolfgang Hering durch München. Immer am 25. eines Monats starten sie mit einem morgendlichen Gottesdienst in der St. Pauls Kirche und weil sie auch danach des Betens, Singens, Huldigens und Knieens noch nicht überdrüssig sind, pilgern sie im Anschluss in einem Prozessionszug durch die Münchner Innenstadt. Ihr Ziel: Die Beratungsstelle von pro familia in der Türkenstraße 103. Dort können ungewollt Schwangere die vor einem Schwangerschaftsabbruch gesetzlich vorgeschriebene, sogenannte „Schwangerschaftskonfliktberatung“ wahrnehmen. Eine ohnehin schon unfassbare Gängelung und Bevormundung von ungewollt Schwangeren, die durch die Anwesenheit irgendwelcher Fundi-Arschgeigen, die moralisierende Schilder mit Bildern von Föten und Aufschriften wie „Papa schau, ich bin ein Junge“ umgehängt haben und sich auch nicht zu blöd sind, aus ihrer Sicht vermeintlich schwangere Personen auf übergriffigste Art und Weise anzuquatschen, sicherlich nicht erträglicher für die betroffenen Personen wird.

Was ist bisher passiert?

Diesem Spuk treten in München seit mittlerweile zwei bis drei Jahren verstärkt einige Personen entgegen. Und zwar auf unterschiedliche Art und Weise, beispielsweise indem sie die Fundis bei ihrem Marsch durch die Stadt begleiten oder indem sie diese vor pro familia abpassen. Immer mal wieder kommt es zu kleineren Blockaden oder Störungen. Eine Parole, die Wolfgang Hering und seine Truppe im Übrigen besonders stört lautet „Hätt‘ Maria abgetrieben, wär’t ihr uns erspart geblieben“. Nur falls ihr mal zufällig in Verlegenheit geratet …

Den Cops gefällt diese Entwicklung des Protests gegen die Fundis gar nicht: Viele Protestierende gehorchen ihnen eben nicht aufs Wort, wie sie das von den Fundis gewohnt sind, sie widersetzen sich und stören den friedseeligen Verlauf dieser Prozessionen. Besonders der übliche Einsatzleiter Nützel kann mit Gegenprotest und Personen, die seine Autorität untergraben so gar nichts anfangen: Er wünscht sich das „stinkende“, „arbeitslose“ und „asoziale“ „linke Pack“ (Zitate sinngemäß wiedergegeben) dahin wo der Pfeffer wächst, oder, um es in seinen Worten auszudrücken: „Vor einen Richter, der nicht so links ist und der [ihnen] endlich Einhalt gebietet“ (sinngemäßes Zitat Nützel gegenüber dem angeklagten Anarchisten). Damit das vielleicht irgendwann einmal passiert, versucht der besagte Cop Nützel immer wieder, einzelne Protestierende auf seine ganz eigene Weise mit Repression zu überziehen und so Gelegenheiten für die von ihm gewünschten potenziell rechten Richter*innen zu schaffen. Da mussten sich schon einmal mehrere Personen wegen angeblichen Verstoßes gegen das bayerische Straßen und Wegegesetz veantworten, weil der Cop Nützel in einem Picknick eine „Sondernutzung des Gehsteigs“ sah. Das sah nicht einmal das Gericht so und stellte damals alle Verfahren ein. Für Nützel offenbar Grund genug, es auf anderen Wegen zu versuchen. Als der angeklagte Anarchist anlässlich einer Demonstration der Fundis, die er als Gegendemonstrant begleitete, eine rote Ampel überquerte, sah der Cop Nützel offenbar seine Chance. Obwohl die entsprechende Kreuzung bereits durch das vorausfahrende Einsatzfahrzeug, das die Demonstration begleitete und für deren Absicherung gegenüber dem Straßenverkehr sorgte, abgesperrt worden war, und obwohl Nützel die Personalien des angeklagten Anarchisten hinreichend kannte, immerhin spricht er diesen immer mit Namen an, bestellte der Wichtigtuer Nützel mehrere andere Cops zum Zwecke der Personalienaufnahme wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung. „Lasst euch ruhig Zeit“ (wörtliches Zitat von Nützel) wies er seine Untergebenen noch an, bevor er mit den Fundis weiterzog. Das taten die dann auch.

Einige Wochen später bekam der angeklagte Anarchist dann einen Bußgeldbescheid über 10 Euro. Er sei vorsätzlich bei Rot über eine Ampel gegangen. Nun sind 10 Euro zwar ein gewissermaßen lächerlicher Betrag, angesichts der Lächerlichkeit der ganzen Sache jedoch, entschied der angeklagte Anarchist, Einspruch gegen diesen Bußgeldbescheid einzulegen. Davon erwartet er sich nicht etwa „Gerechtigkeit“ (was auch immer das sein soll), er erwartet keinen Widerruf dieses Bescheids durch die Anrufung einer anderen staatlichen Instanz. Vielmehr geht es ihm um das eigene Vergnügen und möglicherweise auch das Vergnügen anderer Prozessbeobachter*innen, dieses absurde Spektakel noch ein kleines Weilchen fortzuführen und damit zugleich den repressiven Charakter dieses Scheißstaates zu veranschaulichen.

Lasst euch das Spektakel nicht entgehen, seid Teil des Spektakels.

Am Montag, den 24.06.2019 wird dieses Spektakel ab 13:50 Uhr nun am Amtsgericht München sein vorläufiges Ende finden. Allerdings nicht ohne die Möglichkeit, sich daran noch einmal zu beteiligen – und zwar sowohl als Publikum, als auch als Angeklagter. Das wollen wir uns doch nicht entgehen lassen. Deshalb rufen wir alle, die Lust dazu haben, auf, sich mit eigenen Interventionen zu beteiligen oder auch nur dem Spektakel beizuwohnen. Zeigen wir diesem scheiß Repressionsapparat, dass wir vor ihm nicht kriechen.

Übrigens wird auch der Cop Nützel anwesend sein. Er ist als einziger Zeuge geladen.

 

 

Hinweis: Bereits in der Vergangenheit wurden einzelne Prozesse, zu deren Besuch auf dieser Seite aufgerufen wurde, durch Cops des Bayerischen Landeskriminalamts beobachtet und die entsprechenden Richter*innen wurden zuvor – ebenfalls vom LKA – „gewarnt“.  Deshalb ist es möglich, dass es neben der üblichen Kontrollen am Eingang des Gerichtsgebäudes zu zusätzlichen Kontrollen und Schikanen unmittelbar vor dem Saal kommen kann (üblich sind hier erneute Taschenkontrollen, Verbote von technischen Geräten jeglicher Art, die Erfassung der Personalien aller Besucher*innen, usw.). Wir empfehlen daher, ausreichend viel Zeit auch nach dem Betreten des Gerichtsgebäudes einzuplanen.

Hinweis an LKA und Richter*in: Findet ihr nicht, dass ihr euch lächerlich macht?

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16 Monate Haft für Anarchisten vor dem Amtsgericht München

Im Verfahren gegen einen Anarchisten, dem insgesamt 6 Banalitäten vorgeworfen wurden, vor dem Amtsgericht München kam es am heutigen Mittwoch, den 27. Februar zu einem Urteil. Der Vorsitzende Richter Carsten Freiherr von Chiari verurteilte den Anarchisten zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 16 Monaten ohne Bewährung. Der Angeklagte befindet sich bislang auf freiem Fuß und kündigte an, gegen dieses Urteil in Berufung zu gehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig!

Das Spektakel des letzten Prozesstages begann mit einer zunächst formlosen Geruchsprobe und einem anschließenden förmlichen Verweis eines der Zuschauer aus dem Gerichtssaal. Weil der vom Publikum ausgehende Geruch das adlige Riechorgan, das an einen solch pöbelhaften Geruch wohl nicht gewöhnt war, provozierte, stieg der Richter gleich nach Beginn der Verhandlung von seinem Podium hinab und begab sich auf die niederen Ränge des Publikums, um mittels Geruchsprobe zu bestimmen, wer denn nun für diesen Gestank verantwortlich war. Gewissenhaft schnüffelte der Richter an drei verschiedenen Referenzpunkten, bestimmte dann einen der Zuschauer und bat diesen, den Saal zu verlassen. Dieser Bitte wurde jedoch nicht entsprochen, also bemühte der Richter das Instrumentarium einer Verfügung und verfügte, dass sich die von ihm auserkorene Person aus dem Gerichtssaal zu entfernen hätte. Penibel ließ er protokollieren, dass er selbst, der Staatsanwalt, die Gerichtsschreiberin, sowie die im Saal anwesenden Justizbeamt*innen allesamt einen unangenehmen Geruch wahrnähmen. Den Vorschlag aus dem Publikum, doch auch den Abstand der Nasen zur vermeintlichen Geruchsquelle protokollieren zu lassen, kommentierte er erbost mit den Worten „Wenn Sie sich lustig machen wird’s teuer!“ und selbst das allgemeine „dämliche Grinsen“ im Publikum wollte er bei Androhung von Ordnungsgeldern verbieten. Ohne Erfolg. Schließlich verließ die vom Richter auserkorene Person den Saal und die eigentliche Verhandlung konnte beginnen.

Bereits bei früheren Prozesstagen waren eine Menge Bull*innen und andere Wichtigtuer*innen (bspw. Kontrollschaffner*innen) vernommen worden. Sie alle hatten versucht, den Angeklagten wegen ganz unterschiedlicher Straftatbestände zu belasten. Auch vier Bull*innen vom Staatsschutz waren vernommen worden: Karin Knigge, Peter Unglaub, Jochen Meyer und Andreas Klingert.

Zum Beispiel gab es da ein Verkehrsschild, das im Rahmen einer Hausdurchsuchung durch den Staatsschutz in den Wohnräumen des Angeklagten sichergestellt wurde. Erfolglos hatten die Staatsschutz-Bull*innen versucht, den*die Eigentümer*in des Verkehrsschildes zu ermitteln. Sie ließen sich von der Stadt erklären, wie diese ihre Verkehrsschilder mit Aufklebern kennzeichnet, konnten aber keinen solchen Aufkleber auf dem Schild finden. Anzeige erstatteten sie trotzdem.

Auch drei Fälle von sogenanntem „Erschleichen von Leistungen“ waren Teil des Prozesses. Weil jedoch die Antragsfrist zum Zeitpunkt der Anzeige bereits abgelaufen war, schritt die Staatswaltschaft „von Amts wegen ein“, um dennoch Anzeige zu erstatten.

Weitere Anklagepunkte waren das Übermalen eines rechtsradikalen Graffito, Widerstand gegen Bull*innen in zwei Fällen, sowie Körperverletzung, weil der Angeklagte, nachdem er bei der Anti-Integrationsgesetzdemo im Oktober 2016 von Bull*innen niedergeschlagen worden war, gegen den (behelmten) Kopf eines Bullen getreten haben soll, der ihn danach weiter traktierte.

Eine weitere Kuriosität des Prozesses war der Vorwurf, einen Bullen beleidigt zu haben. Der Angeklagte soll diesen „wiederholt“ geduzt haben, auch nachdem der Bulle geäußert hatte, dass er das nicht möchte. Unverschämt, fand auch der Richter, der in seiner Urteilsbegründung dazu erklärte, dass unerlaubtes Duzen nun einmal einfach eine Beleidigung sei.

Bedingt nützliche Tipps, was das politische Engagement des angeklagten Anarchisten anging, wusste der Richter in seiner Urteilsbegründung auch zu geben. Er solle sich in einem Verein oder einer Partei engagieren: Immerhin wirke er intelligent genug, die Regeln dieser Demokratie zu akzeptieren. Weil der Angeklagte diese demokratischen Mittel der Einflussnahme nicht nutzen würde, müsse sich der Rechtsstaat hier wehrhaft zeigen und ein Exempel statuieren. Während er seinem Mitteilungsbedürfnis diesbezüglich gerecht wurde, senkte der Richter kein einziges Mal seine Stimme. In einer Lautstärke, als müsse er gegen die Ignoranz, die ihm Angeklagter und Publikum entgegen brachten anschreien, schrie er seine belanglose Meinung über den Angeklagten in den Gerichtssaal.

Statt hier weiter der Stimme des Staates einen Raum zu geben, dokumentieren wir zum Abschluss im Folgenden die Erklärungen, die der Angeklagte vor Gericht verlaß:

Am 13.03.2018, 15.03.2018 und 18.05.2018 wurde ich bei der fahrscheinfreien Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs im MVV-Tarifgebiet durch Einnahmensicherungsagent*innen kontrolliert. Ich fuhr damals aufgrund der traurigen Tatsache ohne Fahrschein, dass ich mir – wie so viele andere – durch ein mangelhaftes System der Grundsicherung für Arbeitssuchende eine Fahrkarte schlicht nicht leisten konnte. Natürlich konnte ich deswegen nicht auf die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs verzichten. Diverse Verpflichtungen, die Pflege sozialer Kontakte und eine wenigstens geringfügige Teilnahme am öffentlichen Leben erfordern zumindest im Raum München eine gewisse Mobilität für die ich auf die Nutzung öffentlicher Verkehrmisttel angewiesen bin.

Nebenbei bemerkt halte ich die Kriminalisierung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne Fahrschein für eine Frechheit in vielfacher Hinsicht:

1) Da der öffentliche Personennahverkehr für viele Menschen, insbesondere für Menschen mit wenig Geld, die einzige Möglichkeit ist, sich in München von A nach B zu bewegen und gleichzeitig eine solche Mobilität erforderlich ist, um notwendige Termine wahrzunehmen, soziale Kontakte zu pflegen und auch anderweitig am öffentlichen Leben teilzuhaben, verstünde sich doch eigentlich von selbst, dass sich die Nutzung des ÖPNV auch jede Person leisten können müsste. In der Realität sieht das jedoch anders aus: Vergünstigte Tickets (beispielsweise durch den München-Pass, sowie diverse Ausbildungstarife) sind entweder an die Berechtigung zum Bezug von Sozialleistungen oder aber an eine Ausbildung geknüpft. Nicht alle finanziell Bedürftigen sind jedoch dazu berechtigt, Sozialleistungen zu empfangen. Ein Beispiel: Eine Person, die gerade so über dem Satz von Hartz IV verdient und die nicht durch sonstige Umstände berechtigt ist, Sozialleistungen zu empfangen, muss – sofern sie innerhalb des MVV-Rings 4 wohnt – statt 30 Euro für eine Zeitkarte 79,10 Euro bezahlen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verdienst nur 5 Euro oder mehrere hundert Euro über der Hartz IV-Grenze liegt. Zusätzlich gibt es viele weitere Personen, die nicht berechtigt sind, Sozialleistungen zu empfangen, jedoch deutlich weniger Geld als den Grundischerungsbetrag im Monat zur Verfügung haben.

Sowieso ist der Erwerb vergünstigter Fahrkarten mit einer großen Stigmatisierung der betroffenen Personen verbunden. Sie müssen bei Kontrollen stets auch ihren München-Pass vorweisen und dem Kontrollpersonal und allen Umsitzenden damit ein “Armutszeugnis” im wahrsten Sinne des Wortes vorlegen.

Wer sich dagegen keine Fahrkarte leisten kann, wird in Kontrollen und als Teil der Propaganda der MVG ebenfalls stigmatisiert. “Bei Schwarzfahrern sehen wir rot” prangt als eine Art Talisman überall in öffentlichen Verkehrsmitteln, in einem Kinospot, der sich speziell gegen Personen richtet, die ohne Fahrschein fahren, mit dem Titel “Fahr Fair”, geht die MVG noch weiter. Personen, die sich keinen Fahrschein kaufen (können) werden darin als Schmarotzer dargestellt, die sich selbst ein gutes Leben leisten und dafür andere Menschen nicht nur ausbeuten, sondern auch unverschämt behandeln. An diesem Narrativ hält die MVG bis heute fest und betont im Zusammenhang mit Kontrollen immer wieder, dass Personen ohne Fahrschein zu Lasten der zahlenden Fahrgäste handeln würden.

Angesichts einer derartig verblendeten Wahrnehmung in der Gesellschaft ist es kein Wunder, dass die Nutzung des ÖPNV ohne einen Fahrschein als Straftat mit Geld- oder gar Haftstrafe bedroht wird. Faktisch jedoch wird dabei die Armut einer Person bestraft, denn ob eine Person will oder nicht, wenn sie sich eine Fahrt mit dem ÖPNV nicht leisten kann, ist sie darauf angewiesen, ohne Fahrschein zu fahren. Armut wird dabei als ein Zustand gesehen, den arme Menschen selbst verschulden und entsprechend zu verantworten haben. Gesellschaftlich betrachtet ist das natürlich offensichtlicher Unfug.

2) Unabhängig von der sozialen Ausgrenzung, die mit der Kriminalisierung von Personen, die den ÖPNV ohne Fahrschein nutzen, einhergeht, gibt es auch eine ganze Reihe von ökologischen Gründen, die gegen Fahrpreise im öffentlichen Personennahverkehr und vor allem gegen eine Kriminalisierung von Menschen ohne Fahrschein sprechen. Aufgrund seiner Beschaffenheit verspricht die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs vielfach gesamtgesellschaftliche Vorteile gegenüber der Nutzung von Individualverkehrsmitteln: Weniger Unfalltote, geringere Schadstoffbelastungen wie Stickoxide, Feinstaub und Klimagase (vor allem CO2), durchschnittlich geringere Lärmbelastungen, ein deutlich geringerer Energieverbrauch. Der logische Umkehrschluss dabei wäre, Anreize für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu schaffen. Besonders in München lässt sich jedoch beobachten, dass das Gegenteil der Fall ist: Bei den Tarifen des MVV ist es vor allem in den Randgebieten der Stadt vielfach rentabler auf (motorisierte) Individualverkehrsmittel zurückzugreifen, denn öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Die dabei entstehenden Belastungen für Gesellschaft und übrige Umwelt werden als Probleme in die Zukunft verschoben. Zumindest mir erschließt sich nicht, warum.

3) In Anbetracht der geschilderten sozialen und ökologischen Probleme, die Fahrkarten im ÖPNV mit sich bringen ist es umso ärgerlicher, dass eine Umschichtung der Verkehrssubventionen mit einem Schwerpunkt auf den öffentlichen Personenverkehr wohl nicht nur fahrscheinfreien ÖPNV, sondern auch einen erheblich besseren Netzausbau ermöglichen würden. Der Betrieb des ÖPNV wird bereits heute vom Staat subventioniert, allerdings mit verhältnismäßig geringen Beträgen. Rund 80% der bundesweiten Verkehrssubventionen fließen in den Ausbau und die Wartung des Straßennetzes. Würde dieses Verhältnis umgekehrt wäre laut Heiner Mohnheim, emerierter Professor für Verkehrsplanung der Uni Trier, bundesweit ein fahrscheinfreier ÖPNV bei bislang ungekannten Taktfrequenzen möglich.

Das lässt vermuten, dass im sogenannten “Autoland Deutschland” der politische Wille fehlt, ein Umdenken in der Mobilität hin zu umweltverträglicheren Bedingungen und einem für alle zugänglichen Angebot zu leisten.

Trotz dieser politischen Einsicht kann ich heute bei Fahrkartenkontrollen ein Ticket vorweisen. Die Tatsache, dass ich momentan nicht durch die Maschen des Sozialleistungssystems falle und entsprechend des Hartz IV-Satzes einen ausreichenden monatlichen Geldbetrag für eine Zeitkarte zugewiesen bekomme, hat mir dies ermöglicht.


Ich möchte abschließend die Gelegenheit nutzen, um auf eine Sache, die im Rahmen dieses Prozesses von Bedeutung war und die mir persönlich wichtig ist, aufmerksam zu machen:

Cop-Kontrollen

Anlasslose Kontrollen durch Beamte der Polizei gehören an vielen Orten in München – ebenso wie fast überall auf der Welt – zur Tagesordnung. Angehörigen der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft fallen diese Kontrollen in aller Regel kaum auf, sie bemerken höchstens die Präsenz der Polizei. Opfer dieser Kontrollen sind in aller Regel Angehörige von marginalisierten Gruppen in der Gesellschaft, beispielsweise Personen, die von den Cops für Obdachlose gehalten werden, sowie PoC. Auch wenn sogenanntes “racial profiling” ebenso wie “social profiling” in der Theorie rechtswidrig ist, werden die genannten Personengruppen überdurchschnittlich häufig Opfer von anlasslosen Polizeikontrollen und oft auch daran anschließende Schikanen bis hin zu Gewalt. Aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft sind Angehörige dieser Personengruppen der Polizei ganz besonders ausgeliefert. Es ist nicht nur die staatliche Legitimation zur Gewalt, die Cops sich so häufig zu eigen machen, die sich gegen die Betroffenen richtet, sondern auch die gesamtgesellschaftliche Ignoranz, die Tendenz wegzuschauen und die ohnehin schon vorhandene Tendenz zur Stigmatisierung der betroffenen Personengruppen durch die Gesellschaft, die den Cops so weitgehend uneingeschränkte Macht gegenüber marginalisierten Personengruppen verleiht.

Berichte über massive körperliche und psychische Gewalt gegen Angehörige marginalisierter Personengruppen gibt es zur Genüge. Ernsthafte Versuche, derartige Vorfälle aufzuarbeiten sucht mensch dagegen vergebens. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass seitens der zuständigen Polizei und auch anderer Behörden daran keinerlei Interesse besteht.

Doch es liegt nicht ausschließlich in der Verantwortung der Institution Polizei, derartige Praktiken endlich abzuschaffen. Es liegt an uns als Gesellschaft, diese Praktiken zu beenden, indem wir betroffene Personengruppen stärken, aufhören wegzuschauen und vor allem die rassistische und soziale Stigmatisierung von Menschen beenden.

Aus diesem Fall halte ich es für notwendig, Polizeikontrollen aufmerksam zu beobachten, sich einzumischen, die Gewalt der Polizei nötigenfalls zu dokumentieren.

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OWi-Verfahren gegen anarchistischen Pro Choice Aktivisten eingestellt

Am Dienstag, den 19. Februar 2019 fand der zweite Verhandlungstag im Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen einen anarchistischen Pro Choice Aktivisten statt. Als Zeugen geladen waren zu diesem Termin der Cop Matthias Wersching (POK, PI 45 Pasing), sowie der Anmelder der monatlichen Demonstrationen fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen in München, Wolfgang Hering. Zum ersten Verhandlungstag am 07. Februar hatte bereits der Cop Robert Heinrich (POK, PI 45 Pasing) ausgesagt.

Vorgeschichte

Grund für das Verfahren war die Teilnahme des Aktivisten am Gegenprotest gegen eine Versammlung fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen um Anmelder Wolfgang Hering und seinen Verein „Helfer für Gottes kostbare Kinder e.V.“. Gemeinsam mit anderen Aktivist*innen hatte der Angeklagte gegen die Kundgebung der fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen vor dem medicare Gesundheitszentrum in Freiham protestiert. Dazu hatten die Aktivist*innen auch passende feministische Musik mitgebracht. Die behagte Hering und seinen Mitbeter*innen wohl nicht, deshalb rief Hering – vorsorglich, in Erwartung von Störungen seiner Versammlung, wie er später vor Gericht erklärte – die Polizei. Die kam mit vier Cops, darunter Einsatzleiter Wersching und Kollege Heinrich. Sie spannten sogenannte Flatterleinen, also Polizeiabsperrband, um die Demonstration der fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen vom Pro Choice Gegenprotest zu trennen. Einen ausführlichen Bericht über dieses Spektakel veröffentlichte die Gruppe kA★oS damals.

Bußgeldbescheid(e)

Doch auch wenn die vor Ort eingesetzten Bullen der Aussage des Cops Wersching vor Gericht zufolge vor Ort nicht von einer Störung der Versammlung ausgingen, erhielten drei Pro Choice Aktivist*innen später Bußgeldbescheide vom KVR. Sie hätten die Versammlung der fundamentalistischen Abtreibungsgegner gestört, hieß es darin. Deshalb sollten sie jeweils zwischen 150 und 200 Euro Bußgeld zuzüglich Verfahrenskosten zahlen (siehe auch http://ka-os-muc.net/2018/06/28/erneute-delegitimierungsversuche-gegenueber-dem-protest-gegen-fundamentalistische-abtreibungsgegnerinnen/). Vor Gericht erklärte der Cop Wersching später, er habe seinen Einsatzbericht damals dem Kriminalfachdezernat 4 (Staatsschutz = politische Polizei) vorgelegt und habe dann nach Rücksprache mit einem dort beschäftigten Cop, wer das war, wisse er nicht mehr, allerdings sei es nicht die spätere Sachbearbeiterin KOKin Wölfinger gewesen, Anzeige erstattet. Einen politischen Verfolgungswillen könne er dabei nicht erkennen, eher sei er geneigt, dem Alternativvorschlag des Angeklagten zuzustimmen, es habe sich dabei um „eine Art Grundkurs in Versammlungsrecht gehandelt“.

Die Aktivist*innen jedenfalls legten Einspruch gegen die gegen sie verhängten Bußgelder ein. Es kam zunächst zum Jugendverfahren gegen einen der Aktivisten, dieses wurde jedoch eingestellt. Das Verfahren gegen eine weitere Aktivistin wurde unmittelbar vor dem Verhandlungstermin eingestellt. Am 07. Februar dann wurde der letzte Fall verhandelt und beim Fortsetzungstermin am 19. Februar wurde das Verfahren nun ebenfalls eingestellt.

Verfahren

Das Verfahren begann zunächst mit der Abnahme des Kreuzes im Gerichtssaal. Einen entsprechenden Antrag des Aktivisten (im Volltext siehe hier) kommentierte die Richterin damit, dass sie seit 27 Jahren auf einen solchen Antrag gewartet habe. Dann ließ sie das Kreuz von einem der im Saal befindlichen Justizwachtmeister abnehmen. Ganz verschwand dieses christliche Relikt trotzdem nicht aus dem Gerichtssaal, an der Wand zeichnete sich in einem helleren Farbton als die umgebende Tapete die einstige Position des Kreuzes auch weiterhin deutlich erkennbar ab.

Prozesserklärung des Angeklagten

Anschließend erklärte sich der Aktivist zum ihm vorgeworfenen Delikt. Zunächst versuchte er seine schriftlich vorbereitete Prozesserklärung auf Bitten der Richterin hin mündlich vorzutragen, las dann aber insbesondere den letzten Teil ab. Wir dokumentieren hier nur die schriftliche Prozesserklärung, die der Aktivist uns im Anschluss an den Prozess aushändigte:

Jeden Monat versammeln sich fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen in München. Sie treffen sich jeden Monat zum gemeinsamen Gottesdienst in der Paulskirche, die ihnen dafür nicht nur die Kirche zur Verfügung stellt, sondern dem Gottesdienst auch einen Platz in ihrem Pfarrbrief einräumt. Nach dem Gottesdienst stellen sich die Teilnehmer*innen in Zweierreihen auf. Sie alle halten einen sogenannten Rosenkranz (das ist eine Art Zählhilfe für Gebete) in Händen, manche hängen sich Bilder von Föten um den Hals auf denen Inschriften wie “Papa schau, ich bin ein Junge” prangen. Schließlich tragen zwei bis vier der Teilnehmer*innen eine Marienikone vor sich her. So setzt sich diese Prozession dann in Bewegung. Übliches Ziel ist die Beratungsstelle von pro familia in der Türkenstraße, in der unter anderem auch die gesetzlich vorgegebenen Schwangerschaftskonfliktberatungen für schwangere Personen, die über einen Abbruch nachdenken, angeboten werden. Dort stellen sich die fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen gegenüber des Eingangs der Beratungsstelle auf. Rund eine Stunde beten, singen und knieen sie dort und verbreiten damit ihre antifeministische Hetze. Der Anmelder dieser Prozessionen ist Wolfgang Hering. Er ist in ganz Europa mit radikalen Abtreibungsgegner*innen vernetzt und einer ihrer wichtigsten Akteure. Seine Vereine EuroProLife und “Helfer für Gottes kostbare Kinder”, die beide in München ansässig sind, dienen oft der Werbung für Demonstrationen radikaler Abtreibungsgegner*innen und sie sind – laut eigenen Aussagen auf deren Webseiten – auch für das, was radikale Abtreibungsgegner*innen “Gehsteigberatungen” nennen, verantwortlich. Vor den Eingägngen von Beratungsstellen, die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatungen anbieten, ebenso wie in der Nähe von Kliniken, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, etwa der Klinik von Dr. Stapf im medicare Gesundheitszentrum in München-Freiham, lauern fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen (vermeintlich) schwangeren Personen auf. Mit zum teil bewusst triggernden Phrasen versuchen sie Druck auf diese auszuüben.

Radikale Abtreibungsgegner*innen und übrigens auch ein beträchtlicher Teil der hiesigen Gesellschaft, wie die Existenz der §§ 218 und 219, die Schwangerschaftsabbrüche kriminalisieren, zeigt, versuchen dabei eine ganze Reihe gesellschaftlicher Probleme auf schwangere Personen abzuwälzen. Weder die Tatsache, dass die Lebensumstände einer Person eine Schwangerschaft und auch das Aufziehen eines Kindes oft verunmöglichen, noch die Tatsache, dass es überhaupt zu ungewollten Schwangerschaften kommt, ist ausschließlich ein Problem der schwangeren Person.

Die Probleme beginnen bereits bei Fragen der Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft. Die Verantwortung wird hier in letzter Konsequenz vor allem bei den Personen gesehen, die potenziell schwanger werden können. Für Personen, die andere potenziell schwängern können ist Verhütung, beispielsweise mit einem Kondom, sogar oft gar nicht vorstellbar. Kein Wunder, denn die Verantwortung für ein versehentlich gezeugtes Kind tragen sie nicht. Diese Verantwortung bleibt den Personen, die das Kind gebären. Und auch die Gesellschaft übernimmt hier keine Verantwortung und bietet keine nennenswerte Unterstützung.

Stattdessen mischt sich die Gesellschaft ein, möchte über schwangere Personen bestimmen und reglementiert oder verbietet einen Abbruch einer Schwangerschaft. Die ohnehin sicher niemals leichte Entscheidung einer Person für einen Schwangerschaftsabbruch wird damit weiter verkompliziert, das Angebot durch ein Informationsverbot und mangelndes medizinisches Fachpersonal eingeschränkt. Schwangeren Personen wird die Fähigkeit selbst zu entscheiden abgesprochen. Sie werden gezwungen, ein Beratungsangebot wahrzunehmen. Erst dann und wenn weitere Voraussetzungen erfüllt sind, ist ein Schwangerschaftsabbruch für sie straffrei.

Dabei handelt es sich nicht nur um eine Bevormundung von schwangeren Personen, die gesamte Gesetzessituation ist Ausdruck patriarchaler Machtbestrebungen.

Die fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen jedoch fordern noch mehr. Sie wollen, dass Abtreibungen wieder vollständig verboten werden und Personen, die einen Schwangerschaftsabbruch haben durchführen lassen, gesellschaftlich stigmatisiert. Sie wünschen sich eine Welt, in der es klare Rollenbilder gibt, eine Welt in der Frauen – ich benutze sowohl den Begriff Frauen, als auch den Begriff Männer hier und im folgenden unter dem Vorbehalt, dass es sich dabei um eine soziale Konstruktion handelt – Kinder kriegen und Männer finanziell für ihre Familie sorgen, eine Welt in der Kinder gottesfürchtig erzogen werden, eine Welt in der Sex ausschließlich der Fortpflanzung dient und in der Verhütungsmittel als “Teufelszeug” (Wolfgang Hering zur Pille) gelten.

Eben diese fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen um Wolfgang Hering versammelten sich am 25. November 2017 vor dem medicare Gesundheitszentrum in Freiham. Zusammen mit anderen Personen protestierte ich dort gegen deren Kundgebung und ihr antifeministisches Weltbild. Die Versammlung zu stören hätte dabei wenig Sinn ergeben. Es war ein regnerischer Samstag Morgen und keine*r interessierte sich dafür, was irgendwelche fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen so trieben. Stattdessen amüsierte ich mich intensiv über die Bemühungen der anwesenden Cops, durch das Spannen von Flatterleinen eine Linie zwischen den Abtreibungsgegner*innen und den Gegendemonstrant*innen zu ziehen, ließ mir von einem der Cops erläutern, wie ein “Polizeiknoten” funktioniere und dass das zur Grundausbildung der Polizei gehöre und trieb sonst allerhand Unsinn, um mir die Zeit zu vertreiben. Die fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen beteten indes fleißig wie eh und je, vielleicht ein wenig fleißiger als sonst, immerhin war das Wetter wirklich ungemütlich.

Irgendwann raubten die Cops uns unsere Musik und die Person, die sie dabei hatte. Danach war das Ganze deutlich weniger lustig. Schade.

Zeug*innenvernehmung

Anschließend wurde der Cop Heinrich in den Gerichtssaal gerufen und als Zeuge vernommen. Ein Antrag des Aktivisten, der Cop möge doch bitte seine Waffe ablegen, wenn er im Zeugenstand säße (im Volltext siehe hier), amüsierte die vorsitzende Richterin zwar, sie lehnte ihn jedoch trotzdem ab.

Der Cop Heinrich erzählte seine Sicht der oben geschilderten Geschichte des Demonstrationsgeschehens am 25.11.2017, die wir hier aus Spannungsgründen nicht wiederholen wollen. Maßgeblich dabei war, dass er sich nicht erinnern konnte, wer die Musik dabei hatte und auch sonst keine Angaben dazu machen konnte, was der in diesem Verfahren angeklagte Aktivist denn so gemacht hatte. Er erinnerte sich nur daran, dass er ihn daran erkannt habe, dass er barfuß lief, denn er sei bei den Cops allgemein als „Barfußläufer“ bekannt.

So endete der erste Prozesstag.

Der zweite Prozesstag begann am 19. Februar erneut mit der Abnahme des Kreuzes. Danach wurde der Cop Wersching verhört. Auch er erzählte seine Version des Demonstrationsgeschehens vom 25.11.2017, die wir hier aus Gründen den Spannung unterschlagen. Interessante Angaben machte der Cop Wersching jedoch dazu, wie es überhaupt zu einer Anzeige der Aktivist*innen gekommen war, nämlich erst nach Rücksprache mit dem K 43, also dem Staatsschutz. Ebenfalls interessant war, wie der angeklagte Aktivist von ihm identifiziert wurde. Im Rahmen der Einsatzplanung sei ihm dieser als potenzieller Versammlungsteilnehmer benannt worden. Von wem wollte er jedoch nicht sagen. Dazu habe er keine Aussagegenehmigung, mutmaßte er, bevor die Richterin weitere Nachfragen in diese Richtung abwies. Ansonsten erinnerte auch er sich nicht daran, was der angeklagte Aktivist konkret getan hätte, um die Versammlung zu stören.

Zuletzt wurde daraufhin der Versammlungsleiter Wolfgang Hering geladen. Dieser stellte sich als geschäftsführender Vorstand des Vereins „Helfer für Gottes kostbare Kinder e.V.“ vor. Von diesem Verein werden unter anderem die Demonstrationen der fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen ausgerichtet. Nach einer kurzen Phase der Verwirrung, die Hering darauf zurückführte, dass er seit ca. 2,5 Jahren jeden Monat mit dem angeklagten Aktivisten konfrontiert sei, konnte sich Hering doch an die betreffende Versammlung erinnern. Auch seine Version des Versammlungsgeschehens trägt kaum zur Spannung bei, weshalb wir sie hier weglassen.

Einstellung des Verfahrens

Die Richterin stellte das Verfahren schließlich ein, weil sie der Meinung war, dass Hering als Versammlungsleiter die störenden Personen hätte darauf hinweisen müssen und er das nicht getan hatte. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Die Proteste gehen weiter

Leider ist das Problem mit den fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen damit nicht aus der Welt, auch wenn es für die Pro Choice Aktivist*innen sicherlich ermutigend ist, dass die Kriminalisierungsversuche des Protests bislang allesamt vor Gericht scheiterten. Die nächste Gelegenheit gegen die fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen zu protestieren ist am 25. Februar um ca. 10:30 Uhr vor der Beratungsstelle von pro familia in der Türkenstraße 103.

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Der am 31.01.2019 begonnene Berufungsprozess gegen eine Pro Choice Aktivistin, die beschuldigt wird, die Vertraulichkeit des Wortes verletzt zu haben, wird am Montag, den 11. Februar um 10 Uhr fortgesetzt.

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