Sonntag, 04. September 2016. Anlässlich irgendwelcher Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern veranstaltet die Münchner AfD eine Wahlparty in der Gaststätte „Portugal“ in der Friedensstraße 28 in München. Mehrere hundert Anhänger*innen, darunter Parteimitglieder, deutschlandweit bekannte Neonazis und andere Rechte kommen der Einladung des Organisators Wilfried Biedermann (damaliger und heutiger Vorsitzender des AfD Kreisverbands München-Ost) nach und versammeln sich in der Gaststätte, um das bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern erwartete, positive Abschneiden der AfD zu feiern.
Doch wo immer sich Rechtspopulisten, extrem Rechte und Neonazis versammeln, müssen sie mit antifaschistischer Gegenwehr rechnen. So auch an diesem Tag. Als sich kurz vor 18 Uhr eine unangemeldete und damit auch unbegleitete Antifa-Demonstration auf die Gaststätte zubewegt, rutscht nicht wenigen der Rechten das Herz in die Hose. Gleich „mehrere Anrufer“ wählen den Notruf der Polizei und rufen die Staatsmacht zu Hilfe, so steht es im späteren Untersuchungsbericht des Cops Schreiner-Bozic (Staatsschutz). Andere rechte Macker, darunter der bekannte Neonazi Lukas Bals, Andre Karim Nemji, Richard Günter Wegner und der unter dem Namen „Chris Ares“ bekannte, extrem rechte Rapper Christoph Aljoscha Zloch (Wegner und Zloch waren damals bekannte Gesichter des sich zwischen neurechter und neonazistischer Ideologie bewegenden „Bündnis Deutscher Patrioten“) dagegen entschieden sich dazu, die herannahende Antifa-Demo physisch anzugreifen. Zloch zog sich zu diesem Zweck sogar sein Hemd aus und drückte es – ihren eigenen Aussagen bei den Cops nach – Brigitte Fischbacher (AfD) in die Hand. Dies belegen nicht nur zahlreiche Bilder von anwesenden Pressefotograf*innen (etwa hier), sondern auch ein von der AfD damals selbst veröffentlichtes und mittlerweile gelöschtes Video der Ereignisse.
Bevor die von den anwesenden Rechten herbeigerufenen Cops schließlich mit einem Großaufgebot an der Gaststätte Portugal eintrafen, hatten sich die Antifaschist*innen bereits zurückgezogen. Die Cops leiteten daher eine Großfahndung ein, in deren Rahmen sie völlig willkürlich und gemäß sämtlicher vorstellbarer Klischees vermeintlich linke Personen in der weiteren Umgebung des Veranstaltungsortes der AfD-Wahlparty in Gewahrsam nahmen. Verdeutlicht wird das durch einen Aktenvermerk der Polizistin Gahn (4. Zug der 1. Einsatzhundertschaft PI ED 1): „[…] PHM Weide, PM Pfleger, PM Lederer, PM Sauer, PM Ehrenberg, PM Wilke und PMin Nannen [trafen] […] eine weibliche Person […] an, welche vom Erscheinungsbild dem linken Spektrum zuzuordnen war. Aufgrund dessen, dass diese Person weiße Tischdecken zusammengerollt in ihrem Rucksack trug, wurde die Identität dieser Person festgestellt. […] Im Anschluss wurde von PM Wilke und PM Pfleger eine weitere männliche Person […] angetroffen. Diese Person hatte grüne Haare und war ebenfalls dem linken Spektrum zuzuordnen. […]“
Insgesamt 15 Personen nahmen die Cops auf diese Art und Weise in Gewahrsam. Von allen Personen, ebenso wie von den von ihnen mitgeführten Gegenständen wurden Fotos angefertigt. Außerdem wurden zahlreiche mitgeführte Mobiltelefone und Speichermedien beschlagnahmt, die im Rahmen der späteren Ermittlungen vom Cop Fischaleck (K123) mit der Software „UFED Physical Analyzer“ (Hersteller: TEEL technologies) ausgewertet wurden.
Trotz all dieser Schikanen und des erheblichen Ermittlungsaufwandes, der von den Cops in dieser Sache unter Leitung des Cops Stuber (K43) betrieben wurde, war es den Cops offensichtlich 2,5 Jahre lang nicht möglich, einen Nachweis für die Schuld dieser Beschuldigten zu erbringen und die Ermittlungen entsprechend abzuschließen. Erst nachdem Staatsanwältin Ott im Januar 2019 Druck macht und dem Cop Stuber eine Deadline zur Abfassung des Schlussbereichtes setzt, weil mögliche Straftaten sonst im September zu verjähren drohen, kommt wieder Bewegung in die Sache.
Da sämtliche Beschuldigten eine Aussage den Cops gegenüber verweigerten, versuchte der Cop Stuber nun vor allem anhand eines Rucksacks und schwarzer Lederschuhe, die angeblich im Besitz des angeklagten Antifaschisten waren, als die Cops ihn festnahmen und die der Cop Stuber auf einem ihm aus dem Umfeld der AfD über den Funktionär Wilfried Biedermann anonym zugespielten Video wiedererkannt haben will, zu beweisen, dass der angeklagte Antifaschist vermummt an der Demonstration gegen die AfD teilgenommen habe.
In einem am 09.05.2019 ausgestellten Strafbefehl über 60 Tagessätze wurde der angeklagte Antifaschist von der Richterin Firoozi deshalb wegen angeblicher Vermummung auf einer Versammlung verurteilt. Dagegen legte er Einspruch ein.
Am 08. Juli 2019 kommt es deswegen nun um 13 Uhr im Sitzungssaal A 219 des Strafjustizzentrums in der Nymphenburger Straße 16 zum Prozess gegen den Antifaschisten. Wir rufen euch dazu auf, diesen Prozess solidarisch zu begleiten. Wir treffen uns zum gemeinsamen Prozessbesuch um 12:15 Uhr vor dem Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße 16.
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