Das Landgericht München verurteilte am 08. Januar 2018 einen Antifaschisten, der gegen den rassistischen und nationalistischen PEGIDA-Ableger in München demonstriert hatte, zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen wegen angeblicher Beleidungung der zum Schutz der PEGIDA-Demonstration eingesetzten USK-Beamt*innen. Damit hob das Landgericht einen Freispruch vor dem Amtsgericht München auf.
Vorgeworfen wurde dem Aktivisten, gemeinsam mit weiteren Gegendemonstrant*innen eine Parole gegen die eingesetzten Polizeibeamt*innen gerufen zu haben. „Hass, Hass, Hass wie noch nie, All Cops are Basterds [sic!] – ACAC“ sollen die Personen gerufen haben, so die Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte erklärte dagegen gegenüber dem Gericht, er habe nicht „All Cops are Basterds [sic!]“, sondern „All Cops are Cops“ gerufen, um seine Ablehnung gegenüber der Staatsmacht auszudrücken. Die eingesetzten Polizist*innen als „Bastarde“ zu beleidigen, sei ihm schon alleine deshalb nie in den Sinn gekommen, weil er die Bezeichnung „Bastard“ als Bezeichnung für ein unehelich gezeugtes Kind nicht als Beleidigung verstünde. Vielmehr halte er die Überwindung der Institution Ehe für ein erstrebenswertes Ziel.
Obwohl die im Prozess befragten Polizist*innen nicht ausschließen konnten, dass der Angeklagte „All Cops are Cops“ gerufen habe, was, wie die Richter*in des Amtsgerichts in erster Instanz bei der Begründung ihres Freispruchs betonte, aus strafrechtlicher Perspektive auch dann keine Beleidigung sei, wenn es beleidigend gemeint ist, befand das Landgericht den Angeklagten nach insgesamt 5 Verhandlungstagen für schuldig. Dass die als Zeug*innen vernommenen Polizist*innen sich in zentralen Punkten widersprachen, sich an nebensächliche Details, wie beispielsweise die Aufschrift auf einem Transparent aber übereinstimmend und im Wortlaut gleichlautend falsch erinnerten, sei nach Ansicht des Landgerichts München kein Indiz dafür, dass die Polizist*innen ihre Aussagen im Vorhinein abgesprochen oder wenigstens untereinander diskutiert hatten, wie von der Verteidigung vermutet worden war. Auch die Tatsache, dass der zentrale Zeuge, der Polizist* Würzbauer in einem anderen Prozess zum gleichen Vorfall widersprüchliche Aussagen zu seinen Aussagen in diesem Prozess gemacht hatte, trübte das Vertrauen der Kammer in die Richtigkeit der von den Zeug*innen gemachten Aussagen nicht. Der Vorsitzende Richter führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass für ihn kein Zweifel darin bestünde, dass der Angeklagte die eingesetzten USK-Beamt*innen als Bastarde beleidigt habe, da dies von mehreren der als Zeug*innen geladenen Polizist*innen behauptet wurde.
Das Landgericht München trägt mit diesem Urteil dazu bei, Proteste gegen rassistische, nationalistische und zum Teil sogar offen nationalsozialistische Versammlungen wie PEGIDA München zu delegitimieren. Es folgt dabei den Forderungen von Polizei und Staatsanwaltschaft, die jede nur erdenkliche Kleinigkeit zur Anzeige bringen, um Antifaschist*innen, die sich Neonazis auf der Straße in den Weg stellen, mit Repression zu überschütten.
Staatsanwalt Martin Apetz, der dafür bekannt ist, besonders übertriebene Vorwürfe gegen linke Aktivist*innen zu erheben und dabei auch besonders hohe Strafen zu fordern, scheint als Staatsanwalt ein politisches Programm zu verfolgen. Während dem Prozess betonte er, dass es mit ihm „keine 154er gebe“. Gemeint ist wohl der Paragraph 154 StPO, der eine mögliche Einstellung des Verfahrens ermöglicht hätte.
Der Verurteilte Aktivist will das Urteil des Landgerichts so jedoch auf keinen Fall stehen lassen. Er kündigte an, in Revision zu gehen. Zum Urteil selbst äußerte er sich folgendermaßen: „Ich finde es besonders erschreckend, dass das Landgericht aus den zahlreichen Belegen, dass die als Zeug*innen befragten Polizist*innen ihre Aussagen im Vorfeld abgesprochen haben müssen, nicht die nötige Konsequenz zieht. Auch dass die zahlreichen Widersprüche in denen sich die Aussagen der Polizist*innen in den entscheidenden Punkten verstricken von der Kammer einfach ignoriert wurden, finde ich besorgniserregend. Das zeigt, dass vor Gericht die Aussage von Polizist*innen mehr zählt, als die Aussagen einer beliebigen anderen Person, selbst dann, wenn die Aussage einer*eines Polizist*in in sich widersprüchlich ist. Nur so kann es der Polizei gelingen, linken Protest gegen rassistische und nationalistische Aufmärsche in der Öffentlichkeit zu kriminalisieren und damit langfristig zu unterbinden.“